Donnerstag, 17. April 2014

Warum das Ende von "How I Met Your Mother" eigentlich doch ziemlich genial ist...



[Dieser Artikel enthält massive Spoiler zum Ende von „How I Met Your Mother“. Er richtet sich an jene, die die letzten beiden Episoden von Staffel 9 schon gesehen haben. Für alle anderen gilt: Weiterlesen auf eigene Gefahr!]


Und dann war es auf einmal vorbei. „How I Met Your Mother“, die Serie, die meine Generation mit ihren originellen Ideen, witzigen Catchphrases und bittersüßen Lebensweisheiten beeinflusst hat wie wohl keine andere. Nachdem die Credits gerollt sind direkt einzupennen, das ging nicht. Zu viele Erinnerungen, zu viele Gedanken an das überraschende Ende, das so überraschend eigentlich gar nicht war – zumindest nicht für mich.

„ICH WUSSTE ES!“ Damit hätte ich diesen Text am liebsten begonnen, denn tatsächlich habe ich das umstrittene Ende vor exakt einem Jahr fast haargenau so vorhergesagt, wie es letztendlich geschehen ist. Jeder, der mit mir schon einmal über die Serie gesprochen hat, wird bestätigen, dass ich mich nie davon habe abbringen lassen, dass Ted und Robin am Ende zusammen kommen würden. Auch wenn es mit Fortschreiten der Serie immer klarer wurde, dass Robin niemals die Mutter sein kann. Doch so viele Indizien auch dagegen sprachen, es gar unmöglich machten, so glaubte ich immer daran, dass es eine Hintertür geben würde, die aus „Aunt Robin“ doch noch die weibliche Hauptperson machen würde, um die sich vermeintlich die ganze Serie drehte.

Wir sehen zum ersten Mal das
Gesicht der "Mutter". (S8E24)
Als wir am Ende der 8. Staffel schließlich zum ersten Mal das Gesicht der „Mutter“ sahen und es sich um eine komplett neue, noch nie zuvor gezeigte Person handelte, war meine Enttäuschung groß. Klar, ich hatte es befürchtet, aber dennoch war ich entrüstet. Die spannende Schnitzeljagd nach Andeutungen und Indizien zur Identität der zukünftigen Mrs. Mosby – vollkommen belanglos, angesichts der Tatsache, dass es sich letztendlich um eine neu eingeführte Figur handelte.

In meiner Enttäuschung kam mir ein zuerst absurd anmutender Gedanke, den weder meine Diskussionspartner noch ich je in Betracht gezogen hatten. Was, wenn die Mutter und die Frau, mit der Ted letztlich zusammen alt wird, zwei verschiedene Personen sind? Der Gedanke war schnell weiter gesponnen. Was, wenn die Mutter zu dem Zeitpunkt, als Ted seinen Kindern die Geschichte erzählt, gar nicht mehr lebt? Und weiter: Was, wenn Robin am Ende zwar nicht die Mutter, aber trotzdem Teds finale Geliebte ist? Das alles schien plötzlich auf eigenartige Weise logisch.

Wird es in echt nie geben: Robins imaginäre Kinder
in der Folge "Symphony of Illumination" (S7E12)
Ich ging sogar so weit, in Erwägung zu ziehen, ob die beiden Kinder vielleicht gar nicht Teds leibliche Kinder sind und „How I Met Your Mother“ in Wahrheit die Geschichte ist, wie Ted und Robin ihre todkranke Mutter kennenlernten und sich dann zur Adoption entschlossen. Ich weiß, das klingt erstmal absurd, aber wenn man genauer drüber nachdenkt, würde das perfekt mit dem Plotpunkt zusammen passen, dass Robin keine eigenen Kinder haben kann – ein Punkt, der außer einer geschickt inszenierten, emotionalen Folge keinerlei weitere dramaturgischen Auswirkungen auf die Serie hatte. Wie dem auch sei, die Adoptionsgeschichte war der Teil meiner Vorhersage, der nicht wahr werden sollte.

Das Ende ist deshalb so überraschend, weil es zu einem Zeitpunkt kommt, an dem man der Serie keinerlei überraschende Wendungen mehr zugetraut hätte. Alles schien wie erwartet seinen Lauf zu nehmen. Die Prämisse, eine gesamte Staffel lang ein einzelnes Hochzeitswochenende zu erzählen (zwar mit einer gehörigen Portion Flashbacks, die jedoch selten Relevanz für den Hauptplot hatten), hatte uns eingelullt und wir warteten nur darauf, wie alles völlig entspannt zu einem Happy End für alle dahinplätschern würde.

Es wirkte also sehr befremdlich, als nach 22 Folgen, die sich gerade mal über ein Wochenende hinweg zogen, auf einmal im Minutentakt Jahre vergingen – und alles, auf das in besagten 22 Folgen hingearbeitet wurde, innerhalb von zwei, drei Szenen komplett annuliert wurde. Es passte einfach nicht zusammen, man fühlte sich als Zuschauer betrogen.

Glücklich für immer? Nope! (S9E22)
Ich hätte erwartet, dass Barney und Robin die Hochzeit nicht durchziehen. Als sie sich in Folge 22 der 9. Staffel jedoch endgültig das Ja-Wort gaben, war für mich jegliche Hoffnung auf ein Ted-und-Robin-Ende gestorben. Warum? In der Erzählstruktur von Filmen gibt es ein ungeschriebenes Gesetz, dass eine Hochzeit etwas Endgültiges ist. Wie viele Szenen kennen wir, wo der Held in letzter Sekunde die Zeremonie stürmt und die Braut daran hindert, den „falschen Geliebten“ zum Mann zu nehmen. Das ist diese filmische Dramatik, die komplett ignoriert, dass die Braut sich theoretisch auch einfach am nächsten Tag wieder scheiden lassen könnte. Diese Möglichkeit wird im Film so gut wie nie in Betracht gezogen. „How I Met Your Mother“ bricht also mit dieser Erwartungshaltung und liefert damit ein ungewohnt bodenständiges und realistisches Portrait der Wirklichkeit, das uns zeigt, dass die vermeintlich perfekte Liebe auch im Film zum Scheitern verurteilt sein kann.

Barney findet am Ende doch noch
die Liebe seines Lebens. (S9E24)
Die Scheidung von Robin bedeutet für Barneys Charakter ein „Full Reset“. Er ist plötzlich wieder genau wie wir ihn aus den ersten Staffeln kennen und lieben gelernt haben. Die Entwicklung von Barneys Charakter war schon lange zu einem der wichtigsten Handlungsfäden geworden, zeitweise sogar wichtiger als die gerade um Staffel 7 herum sehr in den Hintergrund gerückte Suche nach der Mutter. Wie eigenartig also, gerade diesen Faden, der so viel Zeit und Finesse erforderte, am Ende komplett zu egalisieren. Dass Barney uns am Ende mit einer „Ich bin wie ich bin“-Attitüde abfertigt, dafür zog sich die ganze Veränderungsgeschichte deutlich zu lange hin. Schlussendlich wirkt das Ganze eher ziemlich an den Haaren herbeigezogen, als ein für uns gesichts- und namenloser One Night Stand Barney zum Vater macht – und er sich scheinbar schon wieder beginnt, zu verändern. Wie das wohl ausgeht? Für mich eher ein verzweifelter Versuch, dem faden Beigeschmack der getroffenen Entscheidungen doch noch etwas Würze zu verleihen. Hat bei mir aber nicht funktioniert.

Marshall und Lily bleiben weiterhin die einzige richtige Konstante, haben es allerdings nach ihrem Umzug nach Italien zunehmend schwer, die Gruppe zusammen zu halten. Robin ist inzwischen sehr erfolgreich als Fernseh-Reporterin und ständig unterwegs. Sie hat eingesehen, dass Ted der Richtige für sie gewesen wäre und distanziert sich von der Gruppe, in der sie sich nun fehl am Platze fühlt. Moment mal, das ist aber kein Happy End. Da kommt doch noch was, oder?
Das können die doch nicht bringen!
Oder etwa doch? (S9E24)

Richtig, denn fast in einem Nebensatz erwähnt der ältere Ted-Offsprecher auf einmal, dass die Mutter krank wurde – zunächst ohne weitere Ausführungen. Konnte es wirklich sein, dass es doch noch zu diesem finalen Plot-Twist kommen würde? „And that, kids, is how I met your mother“, schließt Ted, den wir nun zum ersten Mal in gealterter Form in der als Rahmenhandlung fungierenden Gegenwart sehen, seine insgesamt 208 Folgen lange Erzählung ab.

Aber was ist denn jetzt mit der Mutter? Wie wir im folgenden Dialog mit den Kindern, die das Ganze den Umständen entsprechend erstaunlich entspannt, ja zeitweise sogar gelangweilt auffassen, erfahren, ist sie tatsächlich vor nunmehr 6 Jahren gestorben. Diese Tatsache hat natürlich immense Auswirkungen auf die Art und Weise, wie wir die gesamte Geschichte betrachten - und wie wir bestimmte Situationen beurteilt hätten, wenn wir gewusst hätten, dass es sich bei der Mutter um eine verstorbene Person handelt. Einer dieser Momente, der mir besonders im Gedächtnis geblieben ist, ist in der Folge "Time Travelers" am Ende der 8. Staffel:

Ted stellt sich vor, die Mutter schon
 45 Tage eher zu treffen. (S8E20)




"Hi. I'm Ted Mosby. In exactly forty-five days from now, you and I are gonna meet. And we're gonna fall in love. And we're gonna get married, and... we're gonna have two kids. And we're gonna love them and each other so much. All of that is forty-five days away. But I'm here now, I guess, because I want those extra forty-five days. With you, I want each one of them. And if I can't have them, I'll take the forty-five seconds it takes before your boyfriend shows up and punches me in my face. Because... I love you. I'm always gonna love you. 'Til the end of my days, and beyond."

Als ich die Szene das erste Mal gesehen habe hielt ich sie für übertrieben, beinahe unpassend kitschig. Doch wenn man um das schicksalhafte Ende weiß und sie noch einmal betrachtet, dann sorgt das schon für ein heftiges Gefühl. Darum waren ihm diese 45 Tage also so wichtig...

Interessant ist nun auch die Episode "How Your Mother Met Me", in der wir erfahren, dass die Mutter noch an einem verstorbenen Geliebten hängt, aber Zeuge werden, wie sie sich schweren Herzens von ihm lossagt und endgültig verabschiedet. Warum ist das wichtig? Damit wir es am Ende nicht schlimm finden, dass Ted nach dem Tod der Mutter wieder Robins Nähe sucht. Denn die Mutter selber hatte und hätte das gleiche getan.

Am Ende der Episode "Vesuvius" bittet die Mutter Ted in der in einem Restaurant stattfindenden Rahmenhandlung, nicht immer in der Vergangenheit zu leben, sondern nach vorne zu schauen. Als Ted ihr von Robins Mutter und ihrem spontanen Erscheinen auf der Hochzeit erzählt, kommentiert sie: "What mother is going to miss her daughter’s wedding?" Ted hat auf einmal Tränen in den Augen und sie wechselt schnell das Thema. Eine weitere Szene, die sehr befremdlich wirkte und darauf hindeutete, dass am Ende vielleicht doch alles anders kommen könnte als gedacht.

Ted und Robin in der letzten Szene der Serie. (S9E24)
Von seinen Kindern ermutigt fährt Ted in der finalen Szene zu Robins Apartment – mitsamt dem blauen Horn, das er ganz am Anfang der Geschichte schon mal für sie geklaut hatte und das über die ganze Geschichte hinweg ein wiederkehrendes Motiv für die Beiden darstellte. Mit den vielsagenden, zu Tränen gerührten Blicken der Beiden und dem sehr passenden Lied „Heaven“ von der Band "The Walkmen" endet schließlich die Serie.

Sieht endgültig aus, ist es aber nicht.
  Ted lässt los, Robin schwebt davon.
  Eine höchst eigenartige Szene. (S9E17)
Ein Ende, welches ich, wenn man die gesamte Handlung der Serie betrachtet, für sehr passend halte. Wie am Anfang erwähnt, hätte ich es persönlich genauso oder fast genauso erwartet. Aber dann kam ja diese hochgradig eigenartige 9. Staffel. Hat man die in ihren ersten 22 Episoden geschaut und bekommt die finale Doppelfolge vorgesetzt, kommt es einem fast so vor, als wäre das Ende eine spontane Idee gewesen – oder gar von jemand anderem geschrieben worden. Warum 22 Folgen lang nahezu nichts Relevantes passieren lassen und dann so viel entscheidende Veränderungen in die letzten beiden Folgen quetschen? Hatten die Macher Angst davor, ihre Geschichte nicht logisch bis ins Details zu Ende erzählen zu können und verzichteten deswegen bewusst auf jegliche Details?

Laut Aussagen der Serien-Schöpfer Craig Thomas und Carter Bays war alles von Anfang an so geplant. Die Darsteller der „Kinder“, Lyndsy Fonseca und David Henrie, bestätigten dies und verrieten, dass ihre Repliken des finalen Dialoges mit Ted schon während der ersten Staffel im Jahre 2005 gedreht wurden, um sicherzustellen, dass sie die gesamte Serie über gleichalt aussehen.* Bei so langer Planungszeit werden sich die Macher also schon etwas dabei gedacht haben. Und ja, nachdem ich ein wenig darüber nachgedacht hatte, fiel mir der geniale Kniff auf, der ein ganz anderes Licht auf die Sache wirft:

Die Perspektive der Kinder ist die gleiche wie die des Zuschauers.
„Let’s look at the facts here. You made us sit down and listen to the story of how you met mom, yet mom is hardly in the story. No, this is the story of how you’re totally in love with aunt Robin. And you’re thinking about asking her out and you wanna know if we’re okay with it.“

An dieser Stelle spricht Teds Tochter genau das aus, was wir als Zuschauer auch denken. Die Kinder fühlen sich genauso an der Nase herum geführt wie wir. ABER: Dass Ted die Wahrheit verdreht, um nicht kindgerechte Inhalte seiner Erzählung zu verbergen, das ist während der gesamten Serie schon oft vorgekommen. Und auch wir wurden dann Zeuge dieser veränderten Realität, was oft für viel Humor sorgte. Das bedeutet: In „How I Met Your Mother“ sind wir als Zuschauer schon immer gleichgesetzt mit den Kindern. Wir bekommen dieselbe von Ted veränderte Realität erzählt und sind genau wie sie Sklaven von Teds Perspektive.

Wenn Ted also seine Kinder ein wenig austrickst, um sie unter dem Vorwand der Mutter-Kennenlern-Geschichte dazu zu bringen, zu akzeptieren, dass er 6 Jahre nach dem Tod ihrer Mutter nun mit Robin zusammen sein möchte, dann trickst er in dem Moment auch uns als Zuschauer aus. Und genau das ist hier 9 Staffeln lang passiert. Es war nie „The story of how I met your mother“, das war immer nur ein Vorwand für die eigentliche Geschichte „Please let me be with Robin“.

Rückblickend ergibt nun so vieles Sinn, was wir vorher als dramaturgische Schwäche gesehen haben. Warum holt Ted so unglaublich weit aus, obwohl am Ende nichts davon relevant für das Treffen mit der Mutter ist? Warum hatte man irgendwann in der Serie das Gefühl, dass es außer dem Seriennamen gar nicht mehr so richtig um die Mutter ging? Richtig! Weil es eben NIE um die Mutter ging, sondern um Robin. Das ist auch der Grund, warum er seinen Kindern von so gut wie jeder seiner Liebschaften erzählt. Damit es nicht so auffällig ist, um was es ihm wirklich geht. Es gibt jedoch einen entscheidenden Punkt, mit dem er sich eigentlich schon verrät.

Einer dieser Momente, wo es einfach klar ist... (S8E23)
Die Serie – und damit Teds Erzählung – BEGINNT mit Robin. Ted trifft sie in der ersten Folge und wenn man sich die Inszenierung dieses Treffens heutzutage noch einmal anschaut, ist es fast unmöglich, nicht zu glauben, dass sie am Ende diejenige ist, mit der Ted glücklich wird. Man könnte jetzt trocken argumentieren, dass es bei Sitcoms einfach üblich ist, in der Pilotfolge alle Hauptcharaktere vorzustellen und der Anfang daher zeitlich so gesetzt ist. Wenn man diese Argumentation außen vor lässt, beginnt und endet „How I Met Your Mother“ mit Robin und ist daher ganz grob zusammen gefasst die sehr weit umspannte Liebesgeschichte von Ted und Robin, die viel abschweift, jedoch in bestimmten Szenen immer wieder daran erinnert, was sie eigentlich erzählen will.

Nachdem ich mir all diese Dinge noch einmal durch den Kopf habe gehen lassen, muss ich also sagen, dass ich das Ende und vor allem die damit verbundenen kleinen Andeutungen, die sich die ganze Serie über finden lassen, schon für einen kleinen Geniestreich halte. Dass es nicht jedem gefallen würde, das war zu erwarten - aber mal ehrlich, das wäre doch auch langweilig, oder? Ich bin jedenfalls froh, dass es nach einer eher unspektakulären 9. Staffel doch noch mal kontrovers wurde. Dass ein gelungenes Finale am Ende einer langjährig erfolgreichen Serie nicht selbstverständlich ist, das wissen wir ja spätestens seit dem haaresträubenden Abschluss von Dexter.

*http://www.people.com/people/article/0,,20801686,00.html

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