[Dieser Artikel enthält massive Spoiler zum Ende von „How I Met Your Mother“. Er richtet sich an jene, die die letzten beiden Episoden von Staffel 9 schon gesehen haben. Für alle anderen gilt: Weiterlesen auf eigene Gefahr!]
Und dann war es auf einmal vorbei. „How I Met Your Mother“, die Serie, die meine Generation mit ihren originellen Ideen, witzigen Catchphrases und bittersüßen Lebensweisheiten beeinflusst hat wie wohl keine andere. Nachdem die Credits gerollt sind direkt einzupennen, das ging nicht. Zu viele Erinnerungen, zu viele Gedanken an das überraschende Ende, das so überraschend eigentlich gar nicht war – zumindest nicht für mich.
„ICH WUSSTE ES!“ Damit hätte ich diesen Text am liebsten begonnen, denn tatsächlich habe ich das umstrittene Ende vor exakt einem Jahr fast haargenau so vorhergesagt, wie es letztendlich geschehen ist. Jeder, der mit mir schon einmal über die Serie gesprochen hat, wird bestätigen, dass ich mich nie davon habe abbringen lassen, dass Ted und Robin am Ende zusammen kommen würden. Auch wenn es mit Fortschreiten der Serie immer klarer wurde, dass Robin niemals die Mutter sein kann. Doch so viele Indizien auch dagegen sprachen, es gar unmöglich machten, so glaubte ich immer daran, dass es eine Hintertür geben würde, die aus „Aunt Robin“ doch noch die weibliche Hauptperson machen würde, um die sich vermeintlich die ganze Serie drehte.
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Wir sehen zum ersten Mal das Gesicht der "Mutter". (S8E24) |
In meiner Enttäuschung kam mir ein zuerst absurd anmutender Gedanke, den weder meine Diskussionspartner noch ich je in Betracht gezogen hatten. Was, wenn die Mutter und die Frau, mit der Ted letztlich zusammen alt wird, zwei verschiedene Personen sind? Der Gedanke war schnell weiter gesponnen. Was, wenn die Mutter zu dem Zeitpunkt, als Ted seinen Kindern die Geschichte erzählt, gar nicht mehr lebt? Und weiter: Was, wenn Robin am Ende zwar nicht die Mutter, aber trotzdem Teds finale Geliebte ist? Das alles schien plötzlich auf eigenartige Weise logisch.
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Wird es in echt nie geben: Robins imaginäre Kinder in der Folge "Symphony of Illumination" (S7E12) |
Das Ende ist deshalb so überraschend, weil es zu einem Zeitpunkt kommt, an dem man der Serie keinerlei überraschende Wendungen mehr zugetraut hätte. Alles schien wie erwartet seinen Lauf zu nehmen. Die Prämisse, eine gesamte Staffel lang ein einzelnes Hochzeitswochenende zu erzählen (zwar mit einer gehörigen Portion Flashbacks, die jedoch selten Relevanz für den Hauptplot hatten), hatte uns eingelullt und wir warteten nur darauf, wie alles völlig entspannt zu einem Happy End für alle dahinplätschern würde.
Es wirkte also sehr befremdlich, als nach 22 Folgen, die sich gerade mal über ein Wochenende hinweg zogen, auf einmal im Minutentakt Jahre vergingen – und alles, auf das in besagten 22 Folgen hingearbeitet wurde, innerhalb von zwei, drei Szenen komplett annuliert wurde. Es passte einfach nicht zusammen, man fühlte sich als Zuschauer betrogen.
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Glücklich für immer? Nope! (S9E22) |
Ich hätte erwartet, dass Barney und Robin die Hochzeit nicht durchziehen. Als sie sich in Folge 22 der 9. Staffel jedoch endgültig das Ja-Wort gaben, war für mich jegliche Hoffnung auf ein Ted-und-Robin-Ende gestorben. Warum? In der Erzählstruktur von Filmen gibt es ein ungeschriebenes Gesetz, dass eine Hochzeit etwas Endgültiges ist. Wie viele Szenen kennen wir, wo der Held in letzter Sekunde die Zeremonie stürmt und die Braut daran hindert, den „falschen Geliebten“ zum Mann zu nehmen. Das ist diese filmische Dramatik, die komplett ignoriert, dass die Braut sich theoretisch auch einfach am nächsten Tag wieder scheiden lassen könnte. Diese Möglichkeit wird im Film so gut wie nie in Betracht gezogen. „How I Met Your Mother“ bricht also mit dieser Erwartungshaltung und liefert damit ein ungewohnt bodenständiges und realistisches Portrait der Wirklichkeit, das uns zeigt, dass die vermeintlich perfekte Liebe auch im Film zum Scheitern verurteilt sein kann.
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Barney findet am Ende doch noch die Liebe seines Lebens. (S9E24) |
Marshall und Lily bleiben weiterhin die einzige richtige Konstante, haben es allerdings nach ihrem Umzug nach Italien zunehmend schwer, die Gruppe zusammen zu halten. Robin ist inzwischen sehr erfolgreich als Fernseh-Reporterin und ständig unterwegs. Sie hat eingesehen, dass Ted der Richtige für sie gewesen wäre und distanziert sich von der Gruppe, in der sie sich nun fehl am Platze fühlt. Moment mal, das ist aber kein Happy End. Da kommt doch noch was, oder?
Richtig, denn fast in einem Nebensatz erwähnt der ältere Ted-Offsprecher auf einmal, dass die Mutter krank wurde – zunächst ohne weitere Ausführungen. Konnte es wirklich sein, dass es doch noch zu diesem finalen Plot-Twist kommen würde? „And that, kids, is how I met your mother“, schließt Ted, den wir nun zum ersten Mal in gealterter Form in der als Rahmenhandlung fungierenden Gegenwart sehen, seine insgesamt 208 Folgen lange Erzählung ab.
Aber was ist denn jetzt mit der Mutter? Wie wir im folgenden Dialog mit den Kindern, die das Ganze den Umständen entsprechend erstaunlich entspannt, ja zeitweise sogar gelangweilt auffassen, erfahren, ist sie tatsächlich vor nunmehr 6 Jahren gestorben. Diese Tatsache hat natürlich immense Auswirkungen auf die Art und Weise, wie wir die gesamte Geschichte betrachten - und wie wir bestimmte Situationen beurteilt hätten, wenn wir gewusst hätten, dass es sich bei der Mutter um eine verstorbene Person handelt. Einer dieser Momente, der mir besonders im Gedächtnis geblieben ist, ist in der Folge "Time Travelers" am Ende der 8. Staffel:
"Hi. I'm Ted Mosby. In exactly forty-five days from now, you and I are gonna meet. And we're gonna fall in love. And we're gonna get married, and... we're gonna have two kids. And we're gonna love them and each other so much. All of that is forty-five days away. But I'm here now, I guess, because I want those extra forty-five days. With you, I want each one of them. And if I can't have them, I'll take the forty-five seconds it takes before your boyfriend shows up and punches me in my face. Because... I love you. I'm always gonna love you. 'Til the end of my days, and beyond."
Als ich die Szene das erste Mal gesehen habe hielt ich sie für übertrieben, beinahe unpassend kitschig. Doch wenn man um das schicksalhafte Ende weiß und sie noch einmal betrachtet, dann sorgt das schon für ein heftiges Gefühl. Darum waren ihm diese 45 Tage also so wichtig...
Interessant ist nun auch die Episode "How Your Mother Met Me", in der wir erfahren, dass die Mutter noch an einem verstorbenen Geliebten hängt, aber Zeuge werden, wie sie sich schweren Herzens von ihm lossagt und endgültig verabschiedet. Warum ist das wichtig? Damit wir es am Ende nicht schlimm finden, dass Ted nach dem Tod der Mutter wieder Robins Nähe sucht. Denn die Mutter selber hatte und hätte das gleiche getan.
Am Ende der Episode "Vesuvius" bittet die Mutter Ted in der in einem Restaurant stattfindenden Rahmenhandlung, nicht immer in der Vergangenheit zu leben, sondern nach vorne zu schauen. Als Ted ihr von Robins Mutter und ihrem spontanen Erscheinen auf der Hochzeit erzählt, kommentiert sie: "What mother is going to miss her daughter’s wedding?" Ted hat auf einmal Tränen in den Augen und sie wechselt schnell das Thema. Eine weitere Szene, die sehr befremdlich wirkte und darauf hindeutete, dass am Ende vielleicht doch alles anders kommen könnte als gedacht.
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Ted stellt sich vor, die Mutter schon 45 Tage eher zu treffen. (S8E20) |
Als ich die Szene das erste Mal gesehen habe hielt ich sie für übertrieben, beinahe unpassend kitschig. Doch wenn man um das schicksalhafte Ende weiß und sie noch einmal betrachtet, dann sorgt das schon für ein heftiges Gefühl. Darum waren ihm diese 45 Tage also so wichtig...
Interessant ist nun auch die Episode "How Your Mother Met Me", in der wir erfahren, dass die Mutter noch an einem verstorbenen Geliebten hängt, aber Zeuge werden, wie sie sich schweren Herzens von ihm lossagt und endgültig verabschiedet. Warum ist das wichtig? Damit wir es am Ende nicht schlimm finden, dass Ted nach dem Tod der Mutter wieder Robins Nähe sucht. Denn die Mutter selber hatte und hätte das gleiche getan.
Am Ende der Episode "Vesuvius" bittet die Mutter Ted in der in einem Restaurant stattfindenden Rahmenhandlung, nicht immer in der Vergangenheit zu leben, sondern nach vorne zu schauen. Als Ted ihr von Robins Mutter und ihrem spontanen Erscheinen auf der Hochzeit erzählt, kommentiert sie: "What mother is going to miss her daughter’s wedding?" Ted hat auf einmal Tränen in den Augen und sie wechselt schnell das Thema. Eine weitere Szene, die sehr befremdlich wirkte und darauf hindeutete, dass am Ende vielleicht doch alles anders kommen könnte als gedacht.
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Ted und Robin in der letzten Szene der Serie. (S9E24) |
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Sieht endgültig aus, ist es aber nicht. Ted lässt los, Robin schwebt davon. Eine höchst eigenartige Szene. (S9E17) |
Laut Aussagen der Serien-Schöpfer Craig Thomas und Carter Bays war alles von Anfang an so geplant. Die Darsteller der „Kinder“, Lyndsy Fonseca und David Henrie, bestätigten dies und verrieten, dass ihre Repliken des finalen Dialoges mit Ted schon während der ersten Staffel im Jahre 2005 gedreht wurden, um sicherzustellen, dass sie die gesamte Serie über gleichalt aussehen.* Bei so langer Planungszeit werden sich die Macher also schon etwas dabei gedacht haben. Und ja, nachdem ich ein wenig darüber nachgedacht hatte, fiel mir der geniale Kniff auf, der ein ganz anderes Licht auf die Sache wirft:
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Die Perspektive der Kinder ist die gleiche wie die des Zuschauers. |
An dieser Stelle spricht Teds Tochter genau das aus, was wir als Zuschauer auch denken. Die Kinder fühlen sich genauso an der Nase herum geführt wie wir. ABER: Dass Ted die Wahrheit verdreht, um nicht kindgerechte Inhalte seiner Erzählung zu verbergen, das ist während der gesamten Serie schon oft vorgekommen. Und auch wir wurden dann Zeuge dieser veränderten Realität, was oft für viel Humor sorgte. Das bedeutet: In „How I Met Your Mother“ sind wir als Zuschauer schon immer gleichgesetzt mit den Kindern. Wir bekommen dieselbe von Ted veränderte Realität erzählt und sind genau wie sie Sklaven von Teds Perspektive.
Wenn Ted also seine Kinder ein wenig austrickst, um sie unter dem Vorwand der Mutter-Kennenlern-Geschichte dazu zu bringen, zu akzeptieren, dass er 6 Jahre nach dem Tod ihrer Mutter nun mit Robin zusammen sein möchte, dann trickst er in dem Moment auch uns als Zuschauer aus. Und genau das ist hier 9 Staffeln lang passiert. Es war nie „The story of how I met your mother“, das war immer nur ein Vorwand für die eigentliche Geschichte „Please let me be with Robin“.
Rückblickend ergibt nun so vieles Sinn, was wir vorher als dramaturgische Schwäche gesehen haben. Warum holt Ted so unglaublich weit aus, obwohl am Ende nichts davon relevant für das Treffen mit der Mutter ist? Warum hatte man irgendwann in der Serie das Gefühl, dass es außer dem Seriennamen gar nicht mehr so richtig um die Mutter ging? Richtig! Weil es eben NIE um die Mutter ging, sondern um Robin. Das ist auch der Grund, warum er seinen Kindern von so gut wie jeder seiner Liebschaften erzählt. Damit es nicht so auffällig ist, um was es ihm wirklich geht. Es gibt jedoch einen entscheidenden Punkt, mit dem er sich eigentlich schon verrät.
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Einer dieser Momente, wo es einfach klar ist... (S8E23) |
Nachdem ich mir all diese Dinge noch einmal durch den Kopf habe gehen lassen, muss ich also sagen, dass ich das Ende und vor allem die damit verbundenen kleinen Andeutungen, die sich die ganze Serie über finden lassen, schon für einen kleinen Geniestreich halte. Dass es nicht jedem gefallen würde, das war zu erwarten - aber mal ehrlich, das wäre doch auch langweilig, oder? Ich bin jedenfalls froh, dass es nach einer eher unspektakulären 9. Staffel doch noch mal kontrovers wurde. Dass ein gelungenes Finale am Ende einer langjährig erfolgreichen Serie nicht selbstverständlich ist, das wissen wir ja spätestens seit dem haaresträubenden Abschluss von Dexter.
*http://www.people.com/people/article/0,,20801686,00.html
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