Donnerstag, 25. Dezember 2014

Dragon's Creed und die Open-World-Krankheit - Dragon Age: Inquisition (spoilerfreie Analyse, Teil 2)

„Leave the fucking Hinterlands!“ Ein Ratschlag, den wir in den letzten Wochen auf diversen Dragon-Age-Fanseiten und Blogs lesen konnten und der mit etwas anderer Wortwahl wohl von den Entwicklern direkt stammen soll. Die Hinterlande sind das erste offene Spielgebiet von Dragon Age: Inquisition, das wir nach der linearen Einführungsquest besuchen. Eigentlich nur, um kurz ein paar Gespräche zu führen und anschließend wieder zu verschwinden. Aber Inquisition ist ein Open-World-Spiel – naja, also streng genommen eigentlich nicht. Es besteht wie schon die Vorgänger aus mehreren unterschiedlichen Gebieten, zwischen denen wir per Schnellreise hin-und-herwechseln können. Doch waren diese Gebiete in den beiden Vorgängern meistens sehr lineare Pfade mit vielen unsichtbaren Mauern, so sind sie in Inquisition schlicht und ergreifend riesig. Wer uninformiert zum ersten Mal die Hinterlande betritt, der mag wohl durchaus denken, er habe es hier mit dem Hauptgebiet des Spiels zu tun. Pustekuchen, die Hinterlande sind gerade einmal das erste von insgesamt 10 Gebieten in dieser Größenordnung! Dragon Age: Inquisition ist schlichtweg gigantisch. Man könnte sagen, es bestehe aus ganz vielen offenen Spielwelten… und hat dementsprechend auch all die Probleme im Gepäck, die so ein Open-World-Spiel mit sich bringt.

Eine Welt, zu groß für die Autoren


Die schiere Anzahl der Nebenaktivitäten überfordert
Spieleinsteiger und lenkt zu sehr von der Story ab.
Wenn ein Ratschlag wie oben genannter notwendig ist, damit ich ein Spiel richtig genießen kann, ist dann nicht irgendwo in der Entwicklung schon etwas schief gegangen? In der Tat habe ich die ersten 10 Stunden Spielzeit nur in den Hinterlanden verbracht und jede noch so unwichtige Nebenquest nach dem Schema „Sammeln und Töten von X“ erfüllt. Ich nenne das den „Assassin’s Creed-Effekt“. Die Anzahl der Nebenaktivitäten, die an jeder Ecke der Spielwelt auf uns warten, ist schier „mind-numbing“, wie der amerikanische Talkshow-Host Conan O’Brien in der Assassin’s Creed Unity-Ausgabe seines Comedy-Formates „Clueless Gamer“ so schön sagt. Das Problem: Bei den Ubisoft-Spielen sind wir daran gewöhnt, dass die Nebenaufgaben Quantität über Qualität stellen und dass nur echte Completionists wirklich alles erfüllen. Wir wissen, dass wir ohne Nachteile jederzeit mit der Hauptgeschichte fortfahren und im Zweifel auch nach Spielende fehlende Nebenaktivitäten nachholen können. Dragon Age: Inquisition aber ist ein Rollenspiel und dort lautet der Tenor für jene, die möglichst alles erleben wollen: Ein Gebiet abschließen, erst dann geht es ins nächste weiter.

Mir gelang es erst, aus meiner Konditionierung auszubrechen, als meine kleine Heldentruppe urplötzlich von einem deutlich höherstufigen Drachen-Bossgegner umgepustet wurde, der einen Teil des Gebietes bewachte. Ich nahm diesen feurigen Tod zum Anlass, unter lauthalsigen Racheschwüren zum ersten Mal die Hinterlande zu verlassen und mit der Hauptstory weiterzumachen. In der Tat eine gute Entscheidung, denn was bisher eine arg durchschnittliche Spielerfahrung war, gewann im Nullkommanichts deutlich an Fahrt. Die wirklich klasse inszenierten Story-Missionen sorgen wieder für ordentlich Dragon Age-Feeling, so wie ich es mir wünsche, und die Geschichte mutet im Voranschreiten wieder deutlich epischer an als die etwas ziellose Erzählung eines Dragon Age II. Man könnte also denken, wer auf ein etwas linearer gestaltetes, spannendes Abenteuer mit einer dichten Inszenierung hofft, der könne sich ja größtenteils auf die Hauptgeschichte beschränken. Doch Fehlanzeige: Die Hauptmissionen von Inquisition haben allesamt empfohlene Levelbereiche und entpuppen sich als extrem schwer, wenn wir uns deutlich darunter befinden. Wer also nicht auf den leichtesten Schwierigkeitsgrad herunterstellen möchte, um seinen fehlenden Level-Fortschritt auszugleichen, der ist dazu gezwungen, sich mit dem „Füllmaterial“ (ich muss es leider wirklich so nennen) abzugeben.

Der Begriff Füllmaterial klingt hart, trifft aber leider zu. Zugegeben, das Füllmaterial von Inquisition macht vermutlich immer noch mehr Spaß als die Hauptgeschichte so manch anderen Spieles. Aber es ist eine solche Enttäuschung verglichen mit den Qualitätsstandards, die diese Serie einmal so groß gemacht haben. In Dragon Age: Origins gibt es keine einzige Nebenaufgabe zu viel. Alles, was wir tun, steht in direkter Relation zu unserem großen Ziel und wirkt sich nachhaltig auf unseren Gesamterfolg aus. Das Spiel verkörpert für mich die perfekte Mischung aus der bombastisch-filmischen Inszenierung eines Uncharted-Titels und dennoch dem Gefühl, seine eigene Geschichte formen und erzählen zu können wie in Sandbox-Titeln à la Skyrim. Jedes Gebiet, was wir betreten, hat seine eigenen dunklen Geheimnisse, denen wir in spannend inszenierten Nebenquests auf den Grund gehen können und selbst wenn einmal die ein oder andere stupide Sammelaufgabe dazwischen rutscht, so werden wir nach Abschluss wenigstens mit einer ausladenden Cutscene belohnt und wissen, unsere Taten haben etwas bewirkt.

In Browserspiel-Manier schicken wir unsere Berater
auf Missionen, die dann in Echtzeit ausgeführt werden.
Inquisition hat nichts davon. Die Nebenaktivitäten bestehen zum Großteil aus dem Sammeln von Gegenständen, Lösen von Rätseln und Schließen von dämonischen Rissen in der Welt. All dies wird nie in den Zusammenhang mit unserem Fortschritt in der Hauptgeschichte gebracht und hat fast gar keine spielerischen Auswirkungen, außer dem Verdienst der Währungen „Macht“ und „Einfluss“ für unsere Inquisition, mit denen wir neue Gebiete freischalten und uns bestimmte Vorteile wie neue Dialogoptionen verschaffen können. Da es jedoch für so gut wie jede Aktivität im Spiel Macht und Einfluss gibt, ist das nichts Besonderes. Wer die Hinterlande dann endlich verlassen hat, wird feststellen, dass es eben genannte Nebenaufgaben in jedem Gebiet des Spiels gibt. Wir machen die ganze Zeit das gleiche, es verändert sich lediglich die Kulisse, in der wir das tun. Jedes der Gebiete hat in der Regel dann noch eine Quest, in der wir einen für das jeweilige Gebiet spezifischen Konflikt lösen müssen. Meistens ist dieser Konflikt nicht sonderlich interessant und auch hier wird komplett auf die Verwendung von Videosequenzen verzichtet. Wir verlassen in Gesprächen nie die 3rd-Person-Perspektive unseres Charakters, werden also nicht etwa wie in Origins zumindest mit einer gut inszenierten Cutscene für unsere Mühen belohnt. Die einzigen Nebenaufgaben, die von der Inszenierung her annähernd an Origins-Qualität heranreichen, sind die Begleiter-Quests. Serientypisch hat jeder unserer Mitstreiter wieder eine persönliche Aufgabe, mit deren Erfüllung wir uns sein Vertrauen verdienen können. Diese Aufgaben sind in der Regel bedeutungsvoller und am Ende winkt eine Videosequenz, in der wir unsere Gefolgsleute noch einmal besser kennenlernen können… was bei den wirklich toll geschriebenen Charakteren eine zufriedenstellende Belohnung ist.

Was ich am allerwenigsten verstehe ist, dass die spannenden Nebenaufgaben doch eigentlich da sind. Nur anstatt, dass man mich diese spielen und selber erleben lässt, hat man sie zu Texten verarbeitet und in eine Art im Spiel verstecktes Browserspiel gepackt, in dem ich meine Berater auf Missionen schicken kann und entscheide, auf welche Art und Weise ich die vielen kleinen intrigenreichen Konflikte lösen will. Dabei trete ich sogar mit liebgewonnenen Charakteren aus den Vorgängern in Kontakt, die es nicht zu einem echten Gastauftritt gebracht haben. Das Ganze klingt spannend, kann aber natürlich in rein geschriebener Form niemanden vom Hocker hauen. In Anbetracht dessen, dass spannende Nebengeschichten in Inquisition absolute Mangelware sind, verstehe ich also nicht, warum ich nicht einige dieser Berateraufgaben persönlich lösen darf. Das wäre zumindest deutlich spannender gewesen, als pro Gebiet acht Rifts zu schließen und zehn Shards zu sammeln. Es macht den Eindruck, als hätte die Leveldesign-Abteilung hier eine Spielwelt geschaffen, die so monströs und gigantisch ist, dass die Story-Designer und Autoren beim Füllen dieser Welt mit interessanten Geschichten einfach nicht mehr hinterhergekommen sind. Doch leider sind es eben diese Geschichten, wegen denen ich ein Spiel der Marke Dragon Age spielen und lieben möchte.

Raus aus der Grauzone und die Kosten des Krieges


Der umfangreiche Charakter-Editor
erlaubt schier groteske Kreationen.
Noch immer höre ich täglich die wunderschön gesungenen und herrlich melancholischen Tavernenlieder, die die Barden in Dragon Age: Inquisition zum Besten geben. Sie handeln von Verlust und der Sehnsucht nach besseren Zeiten ohne Angst und Krieg. Leider sind das Gefühle, die das eigentliche Spiel überhaupt nicht zu vermitteln schafft. Im Gegenteil, es glorifiziert den Krieg als dieses epische und ehrenhafte Unterfangen und die Geburt der Inquisition, einen noch ehrenhafteren Zusammenschluss der Rechtschaffenheit. Das ist ja auch soweit okay, wir wollen ja schließlich alle die Welt retten. Aber das Spiel verpasst dabei, mir das Elend des Krieges zu zeigen, die Grausamkeit meiner Widersacher. Es stellt den Krieg nicht als notwendiges Übel dar, sondern als willkommene Gelegenheit für meinen eigenen Machtaufstieg. Es lässt mich nie an meiner letztendlichen Überlegenheit über den Feind zweifeln, denn es ist viel zu sehr damit beschäftigt, mir die ganze Zeit zu erzählen, wie toll meine Inquisition ist.

Das Konzept von Entscheidungsgewalt in Videospielen hat in den letzten Jahren viele verschiedene Ansätze gezeigt. Entscheidungen in Fallout 3 oder Fable basieren in der Regel auf einem simplen gut-böse-Konflikt und demonstrieren das sogar durch ein Karma-System im Spiel. Die Mass Effect-Reihe lässt den Spieler entweder sehr idealistisch, oder kalt und pragmatisch auftreten, in The Walking Dead drehen sich die Entscheidungen in der Regel um Vertrauen. Riskiere ich, hintergangen zu werden, oder kämpfe ich mich lieber alleine durch? The Witcher ist das erste Spiel, das ich gespielt habe, dessen Entscheidungen sich vollkommen in einer moralischen Grauzone befinden. Ich kann mich zwischen zwei Fraktionen entscheiden, die beide sehr andere, aber durchaus vertretbare Ansichten haben und das Spiel verzichtet darauf, diese Entscheidung moralisch zu bewerten.

In Dragon Age: Inquisition sind die meisten der zu treffenden Entscheidungen eher letzterer Art. Ich helfe entweder dieser oder jener Fraktion, um sie als Verbündete zu gewinnen oder unterstütze meine Gefährten bei diesem oder jenem persönlichen Bestreben. Es gibt dabei keinen moralischen Konflikt, sondern einen rein politischen und nur selten im Spiel wirklich merkliche Konsequenzen. Ich vermisse Entscheidungen, die mich vor die Wahl stellen, ein persönliches Opfer zugunsten des großen Vorhabens zu bringen oder nicht. Entscheidungen, die wehtun und die mir zeigen, was es bedeutet, Anführer einer autonomen Militärorganisation zu sein, deren Erfolg um jeden Preis garantiert werden muss, um die Welt vor dem Untergang zu bewahren. Es gibt genau eine Entscheidung im Spiel, die diesen Effekt bei mir hatte. Welche, verrate ich an dieser Stelle natürlich nicht.

Es gelingt dem Spiel einfach nicht, dass mich der Krieg und die Entscheidungen, zu denen er mich zwingt, etwas kosten, ein emotionales Opfer fordern. Aus diesem Grund kann mich als Spieler auch nicht in das Leid der vom Krieg befallenen Welt hineinversetzen, das Opfer der betroffenen Menschen verstehen. Wenn ich erst einmal dahintergekommen bin, wie das Spiel funktioniert, tritt genau der gegenteilige Effekt ein, als es in der beliebten TV-Serie „Game of Thrones“ der Fall ist. Dort sterben oft sehr unerwartet Hauptcharaktere, was einerseits für einen großen Schock bei den Zuschauern sorgt und andererseits dazu führt, dass wir uns nie in Sicherheit fühlen, stets das Gefühl haben, jeder Moment unserer Lieblingsfigur könnte ihr letzter sein. In Inquisition hingegen habe ich stets das Gefühl, meine liebgewonnenen Gefährten seien in Sicherheit und sorge mich nicht um vermeintlich böse Überraschungen, was die Spannung der eigentlich toll erzählten Handlung natürlich deutlich mindert.

„Ich bin sicher, denn der Spieler braucht mich noch!“


Rockstar Games beweist mit Red Dead Redemption,
dass sich eine offene Spielwelt und eine bis zum Ende
spannende Geschichte nicht gegenseitig ausschließen.
Dieses Gefühl der Sicherheit ist bei vielen Open-World-Spielen schon durch ihr Gameplay-Modell bedingt. Die einzelnen Abschnitte der Story lassen sich bei Titeln der Reihen Assassin’s Creed oder Grand Theft Auto wie alle anderen Aktivitäten von bestimmten Orten der offenen Spielwelt aus starten. Ist die Geschichte abgeschlossen, lässt sich die Welt weiterhin bereisen und alle anderen Nebenaktivitäten sind weiterhin verfügbar. Ist der Tod des Protagonisten damit ausgeschlossen? Wie kann ich eine Geschichte mit einem klimaktischen und denkwürdigen Abschluss schaffen, es aber gleichzeitig glaubhaft erscheinen lassen, dass mein Protagonist anschließend genauso weitermacht wie vorher? Eine Frage, die sich Spiele-Entwickler immer wieder stellen müssen. Manche Titel verzichten zugunsten eines „fatalen Endes“ einfach auf jegliche narrative Logik und Relevanz nach Abschluss der Hauptstory. Speziell die Assassin’s Creed-Reihe hat aufgrund ihrer Rahmenhandlung keine Beschränkung auf zeitliche Linearität und kann das daher leicht kompensieren. Die meiner Meinung nach bisher interessanteste Lösung lieferte das von Rockstar Games entwickelte Red Dead Redemption, dem es gelang, nahezu komplett aus dem Schema der üblichen Open-World-Narrativen auszubrechen.

Dass die Geschichte von Dragon Age: Inquisition mit einer Katastrophe beginnt, ist denke ich nicht zu viel verraten. Wir sehen die große Explosion ja schon beim Spielstart im Hauptmenü. Dass sie mit einer ganz anderen Art von Katastrophe endet, nämlich mit einer dramaturgischen, hat mich dann doch sehr schockiert. Gerade nachdem das Ende der belliebten Mass Effect-Reihe für einen der heftigsten Internet-Aufschreie aller Zeiten sorgte und BioWare zu vielfachen Entschuldigungen und der Veröffentlichung eines Extended Cuts zwang, sollte man eigentlich meinen, dass sie ihre Lektion gelernt haben müssten. Ich traute also meinen Augen kaum, als mir Inquisition am Ende etwas vorsetzte, welches die exakt gleichen Unzulänglichkeiten wieder aufwies. Während bei Mass Effect 3 jedoch nur das unmittelbare Ende misslungen, die letzte Mission insgesamt aber sehr spannend und gut inszeniert ist, haben wir es bei Inquisition jedoch seit Beginn des finalen Kapitels mit einer Komplett-Katastrophe zu tun. Ein völlig übereilter und antiklimaktisch eingeführter Bosskampf ohne Spannung oder Überraschungen und eine mickrige Endvideosequenz, die fast alle interessanten post-finalen Ereignisse einer mit Off-Stimme unterlegten Slideshow überlässt, anstatt diese im großen Stil zu zeigen. Es ist mir unmöglich, das Ganze unter Vermeidung von Spoilern genauer zu erläutern, daher wird der nächste Teil Details zum Ende des Spiels verraten. Wer diese nicht erfahren möchte, kann direkt zum Fazit herunter scrollen.

Am Anfang und am Ende war die Katastrophe (in diesem Teil SPOILER!)


Es kann jeden treffen: Der Nervenkitzel am Ende von 
BioWares Mass Effect 2 ist für mich bis heute unerreicht.
Das beste Finale, welches ich je in einem Videospiel erlebt habe, ist das des Spiels Mass Effect 2, ironischerweise auch von BioWare. Diesen unglaublichen Nervenkitzel, dass ein einziges im Voraus versäumtes Raumschiff-Upgrade oder eine falsche Entscheidung während der Mission den sofortigen Tod eines Mitstreiters bedeuten kann, zusammen mit dem Gemeinschaftsgefühl, erstmalig die gesamte Crew auf einmal in die Schlacht führen zu können, werde ich niemals vergessen und immer in Ehren halten. 

Dragon Age: Inquisition hat nichts davon. Es kommt nie das Gefühl einer wirklichen Bedrohung auf, es gibt keine taktischen Entscheidungen, die unsere Mitstreiter potenziell ins Verderben stürzen könnten, keine epische Ansprache des Inquisitors, bevor er die das ganze Spiel über aufgebaute Streitmacht in ihre letzte Schlacht schickt. Himmel, es gibt nicht mal eine echte letzte Schlacht, denn unsere Soldaten sind noch auf dem Rückweg von der vorhergehenden Mission (auch wenn ich in der Zwischenzeit 50 Stunden Nebenquests erledigt habe). Und ja, das fühlt sich auch im Spiel genauso bescheuert und unbefriedigend an, wie es sich liest.

Ausschlaggebend für den Beginn des letzten Kampfes ist der urplötzliche Angriff von Oberbösewicht Corypheus. Wir landen nach einer kurzen Videosequenz und einem bedeutungsleeren Dialog direkt und völlig übereilt im Bosskampf, der sich im Vergleich zum restlichen Spiel deutlich zu leicht spielt und von mir problemlos im ersten Versuch bewältigt wurde (während ich für so manchen Drachenkampf Stunden gebraucht habe).

Einen interessanten Plot Twist gibt es am Ende doch.
Allerdings auch nur eine Art "Cliffhanger".
Zur Belohnung gibt es am Ende eine winzige Videosequenz, in der wir als Sieger bejubelt werden, ein kurzes Gespräch mit jedem Mitstreiter über dessen zukünftige Pläne und eine kurze Szene mit unserer Romanze, sofern es denn eine gab. Das ist alles. Wichtige Charaktere wie Morrigan treten überhaupt nicht mehr auf, Verbündete, die aus Entscheidungen während des Spiels hervorgegangen sind, kommen nicht zu Wort und kein einziger der kleineren Konflikte mit vermeintlich langfristig großen Auswirkungen (z. B. Cullens Lyrium-Sucht) hat irgendwelche sichtbaren Konsequenzen. Während Mass Effect 3 wenigstens noch mehrere (wenn auch sehr ähnliche) Enden hatte, bekommen wir hier völlig unabhängig von unseren Entscheidungen immer das gleiche Endergebnis serviert.

Der Fortbestand der durch die Bedrohung der Welt unterbrochenen politischen Konflikte wird in einer Slideshow mit Offstimme sehr flüchtig und oberflächlich erläutert und die großen Fragen des Magier-Konfliktes und der Kirchenrevolution dürfen wir nicht wie zuerst gedacht selbst beantworten, sondern werden dadurch entschieden, welche Kandidatin wir bei der Wahl des neuen Kirchenoberhauptes unterstützt haben. Und warum bitte gibt es keine Videosequenz, die diese Entscheidung aufgreift und ihre Konsequenzen zeigt? Warum kann ich meiner geliebten Cassandra nicht dabei zusehen, wie sie in einer riesigen Siegesfeier bejubelt von ganz Thedas ihren neuen Posten einnimmt? Das wäre ein epischer und würdiger Abschluss gewesen. Warum zeigt ihr mir nicht die Freude der Welt, die ich gerettet habe und lasst mich gebührend Abschied nehmen? WARUM?!

Letztendlich halte ich die Unzulänglichkeit dieses Finales für zu offensichtlich und BioWares Fähigkeiten für zu groß, als dass das beabsichtigt gewesen sein könnte. Gerade wenn man es in Relation zu der bis dahin wirklich fantastisch inszenierten Geschichte mit ihren ausufernden Videosequenzen auf höchstem Niveau sieht, passt dieses urplötzliche Sparflammen-Finale nun wirklich überhaupt nicht ins Bild. Es scheint mir, als hätten wir es hier wieder einmal mit einem Fall zu tun, in dem der finanzielle Druck zu einem verfrühten Release geführt hat, bevor die Entwickler ein Ende nach ihren Qualitätsstandards erschaffen konnten. Das Problem mit den Standards ist nur: Sie lassen sich nur solange so nennen, wie man sie auch ab und zu nochmal wieder erreicht.

Fazit: „Ich liebe dich trotzdem!"


"I will bring myself sexual pleasure later, while thinking
about this with great respect." Ein gutes Schlusswort.
Ich habe Dragon Age: Inquisition dramaturgisch unter die Lupe genommen und mich dabei auf die negativen Seiten beschränkt, denn es war nicht mein Ziel, ein objektives Qualitätsurteil über das gesamte Spiel zu fällen. Es gibt da draußen genug Reviews, die das sehr kompetent tun, zumal ich auf entscheidende Bereiche wie das eigentliche Gameplay ja so gut wie gar nicht eingegangen bin. Über Dragon Age zu schreiben, ist mir eine Herzensangelegenheit, denn ich liebe diese Serie und möchte, dass sie sich jederzeit in bestmöglicher Qualität präsentiert. Aus diesem für mich als leidenschaftlichen Spieler nicht ganz uneigennützigen Grund war es mir sehr wichtig, Probleme, die das Spiel meiner Ansicht nach hat, zu analysieren und mit meinem bescheidenen dramaturgischen Wissen eventuelle Lösungsansätze herauszuarbeiten. Es ist mein kleiner Beitrag zu den vielen theoretischen Diskussionen, wie wir unser vergleichsweise junges Lieblingsmedium noch besser machen können.

Wer nach der ausführlichen Kritik nun verunsichert ist, dem sei gesagt: Dragon Age: Inquisition ist ein monumentales Spiel mit einer wunderschönen, riesigen und glaubhaften Spielwelt, gefüllt mit einzigartigen und liebenswerten Charakteren mit Persönlichkeit und sehr gut geschriebenen Dialogen. Und auch wenn nicht alles perfekt ist, gibt es wohl wenige Spiele, die Rollenspiel-Fans so viel fürs Geld zu bieten haben wie Inquisition. Ich möchte nur jeden ermahnen, unbedingt vorher die beiden Vorgänger zu spielen. Es wird so viel Bezug genommen auf die Geschehnisse der Vorgänger, so viele Entscheidungen setzen wichtiges Hintergrundwissen über die bestehenden Konflikte der Welt voraus und so viele Charaktere aus den Vorgängern sorgen in Inquisition für ein freudiges Wiedersehen, dass es sehr schade wäre, sich deren vorherige Bekanntschaft entgehen zu lassen. Dragon Age lebt von seiner Welt, die wir nach unseren Idealen formen und beeinflussen können. Lasst euch keine Gelegenheit entgehen, das zu tun. Unterm Strich muss man auch sagen, dass Dragon Age: Origins insgesamt eindeutig das rundere und bessere Spiel ist… was allerdings nicht besonders viel heißt, da ich Dragon Age: Origins für eins der besten Spiele halte, die je gemacht wurden.

Trotz der langen Spielzeit und trotz des enttäuschenden Finales möchte man am Ende von Inquisition einfach mehr. Ich kann es zumindest schon jetzt kaum noch erwarten, mich in einem DLC oder Addon erneut in die Rolle des Inquisitors zu begeben. Bitte gebt mir ganz schnell ein weiteres Abenteuer, in das ich mich mit meinen liebgewonnenen Gefährten stürzen kann. Oder nein… bitte lasst euch alle Zeit, die ihr braucht. Denn der nächste Schuss, der muss nun wirklich mal wieder ein Volltreffer werden.

Mittwoch, 17. Dezember 2014

BioWare stimuliert meinen Gottkomplex - Dragon Age: Inquisition (spoilerfreie Analyse, Teil 1)

Wir alle kennen das Gefühl, einen Bewunderer zu haben. Jemanden, der uns bei jeder Gelegenheit sagt, wie toll wir doch sind und uns bei allem, was wir tun, bejubelt, so banal und bedeutungslos es auch sein mag. Im Optimalfall ist das unsere Oma oder ein hübsches Mädchen, dann freuen wir uns darüber, aber das Ganze kann auch schnell nervig werden. Irgendwann fühlen wir uns vielleicht bedrängt, spätestens dann, wenn unser Bewunderer nachts mit Gitarre vor unserem Fenster steht und mit seinem Gesang die ganze Nachbarschaft aus dem Bett holt. Dragon Age: Inquisition ist dieser Bewunderer. Ein Spiel, dessen gesamtes Konzept nur darauf ausgelegt ist, den Spieler zu umschmeicheln und mit Anerkennung vollzupumpen, bis er explodiert. Ich habe mich bedrängt gefühlt… von einem Videospiel.

Aber warum ich? "Weil du dafür bezahlt hast!"
Videospiele sind in der Regel Machtfantasien, das ist natürlich keine Neuigkeit. Das Gefühl, Dreh- und Angelpunkt einer Welt zu sein und diese mit Entscheidungen über Leben und Tod nach den eigenen Idealen formen und verändern zu können, ist ein emotionales Bedürfnis, das in jedem von uns irgendwo tief drin schlummert. Videospiele erlauben es uns, diese Urinstinkte auszuleben, dem Alltag zu entkommen und ein Held zu sein, ohne die fatalen Folgen im Falle des Scheiterns in Wirklichkeit spüren zu müssen. BioWare hat sich diesen Instinkt zu Nutzen gemacht und eine Welt geschaffen, die uns zu Füßen liegt. Und was ist noch eines der wichtigsten emotionalen Bedürfnisse des Menschen? Richtig, die Liebe. Also füllten sie diese Welt mit interessanten und gut geschriebenen Charakteren und gaben uns die Möglichkeit, diese während unserer Abenteuer zu verführen. Das Ergebnis ist die BioWare-Formel, die uns einige der besten und meistgefeierten Rollenspiele aller Zeiten beschert hat. Es ist eine Formel, die nicht den Spielspaß in den Vordergrund rückt, sondern die emotionale Stimulation des Spielers. BioWare will uns mit Herz und Seele in ihre Welt ziehen. Bisher ist ihnen das immer gelungen, aber Dragon Age: Inquisition ist bei seiner Befolgung dieser Formel so psychologisch genau und gnadenlos effizient, dass es manchmal wehtut.

Es ist dieses Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt. Alles geht irgendwie zu einfach. Die Anerkennung, die uns entgegengebracht wird, fühlt sich nicht aufrichtig an, weil wir Spieler uns diese nie so richtig selber verdienen mussten. Wir wachen zu Beginn des Spiels mit unserer Superkraft auf und können tun, was kein anderer tun kann. Ohne selber einen Finger gerührt zu haben sind wir die letzte Hoffnung der Welt und ohne überhaupt zu wissen, wie oder warum das alles passiert ist, taumeln wir in die Rolle des Inquisitors, eines gottgleich gefeierten Superhelden, dessen Rechtschaffenheit ab diesem Punkt keiner unserer Gefolgsleute mehr anzweifelt. Wer so viel bedingungslose Anerkennung einfach so geschenkt bekommt, der wird misstrauisch. Und so wird der aufmerksame Spieler auch bei Dragon Age: Inquisition misstrauisch werden und den eigentlichen Kalkül durchblicken, mit dem sich das Spiel versucht, in unser Herz zu schleimen. Das wirkt dann derart befremdlich, dass ich mich über weite Strecken einfach nicht vollständig in seiner Welt verlieren kann.

Wir können bei unserer ersten Ansprache als Inquisitor sogar
explizit sagen, dass wir diese Position nur zu unserem
eigenen Vorteil annehmen. Stört aber auch keinen!
Wer ein Videospiel spielt, der genießt den Schwindel, heißt die eigene emotionale Manipulation willkommen. Videospiele sind als narratives Medium deutlich abstrakter als beispielsweise Filme. Beim Spielen findet eine Art unausgesprochene Verabredung zwischen dem Spiel und dem Spieler statt. Der Spieler willigt ein, nur Dinge zu tun, die im System des jeweiligen Spiels vorgesehen sind und das Spiel liefert im Gegenzug die perfekte Illusion von Freiheit. Das ist auch der Grund, warum deine Freundin, die nur mal eben zuguckt und diese Verabredung nie getroffen hat, einfach nicht verstehen kann, was daran gerade so toll sein soll. Keine Videospiel-Narrative kann ohne diese Verabredung bestehen. Wenn wir Dragon Age: Origins spielen, uns aber nicht darauf einlassen, über das Fehlen einer Sprung-Funktion hinwegzusehen, scheitert die Illusion. Anderenfalls lässt sich unser Gehirn von ganz allein manipulieren, bis wir schließlich gar nicht mehr springen wollen. Eben diese Funktionalität unseres Gehirns ist im Übrigen auch der Grund dafür, dass wir in den frühen Tagen der Videospielhistorie schon mit ein paar wenigen Pixeln großartige Abenteuer erleben konnten. Der Abstraktionsgrad war höher, die Illusion damit schwieriger zu erlangen, aber das Prinzip bleibt das gleiche.

Die Illusion schwindet, wenn wir die Instrumente, die eben diese erzeugen, bemerken. Ein bisschen mehr Feingefühl bei seinen Schmeicheleien hätte Dragon Age: Inquisition also gut getan. Ein bisschen mehr „gutes Spiel“ und ein bisschen weniger „guter Spieler“. Allerdings auch nur ein bisschen weniger, denn die Anerkennung des Spielers ist ein sehr wichtiges Element der Videospieldramaturgie. Bei einem Film verfolgen wir in der Regel als Außenstehender die Geschichte eines Helden oder Anti-Helden, der auf irgendeine Art und Weise sympathisch oder zumindest ansprechend ist. Figuren wie der vieldiskutierte Walter White aus „Breaking Bad“ haben jedoch gezeigt, dass wir nicht zwingend immer auf der Seite des Protagonisten sein müssen, damit die Erzählung funktioniert. Bei einem Spiel ist das anders, denn hier sind wir der Protagonist. In dem Moment, in dem wir die Kontrolle über unsere Spielfigur übernehmen, treffen wir die Vereinbarung, dass wir innerhalb der Spielwelt eins mit ihr sind. Damit diese Symbiose funktionieren kann, ist es unerlässlich, dass wir unsere Spielfigur mögen, uns mit ihr identifizieren können. Jede Interaktion der Spielwelt mit unserer Spielfigur ist eine Interaktion mit uns. Und wir wollen von der Spielwelt anerkannt werden.

Ja, so ist es gut... Bejubelt mich, Gesindel!
Betrachten wir also das auch in Inquisition zum Einsatz kommende, gängige Trial-and-Error-Modell, in dem Spielfortschritt nur durch Erfolg, nicht durch Misserfolg des Spielers erzielt werden kann, ergibt sich folgendes Problem: Die Handlung schreitet nur voran, wenn der Spieler seine Missionsziele erfüllt. Erfüllt der Spieler seine Missionsziele, erwartet er eine Belohnung. Diese Belohnung ist in der Regel sowohl ludisch (spielerisch, z. B. neue Waffen / Gegenstände), als auch narrativ (Anerkennung, steigende Macht des Protagonisten). Es stellt sich also als ausgesprochen schwierig dar, in der Handlung einen Rückschlag zu inszenieren, also einen narrativen Misserfolg, weil modellbedingt immer alle ludischen Ziele erreicht werden. In einem Beispiel ausgedrückt bedeutet das: Es ist dramaturgisch befremdlich, den Spieler einen Bosskampf absolvieren zu lassen und ihm nach erfolgreichem Abschluss eine Videosequenz zu zeigen, in der eben dieser Boss nicht etwa stirbt, sondern siegreich aus dem Duell hervorgeht. (Was nicht heißen soll, dass es Vergleichbares nicht schon gegeben hat. Mir fallen auf Anhieb sogar mehrere Beispiele ein.) Wir sprechen von einer „ludonarrativen Dissonanz“.

Es ist also unerlässlich, dass sich unser spielerischer Fortschritt stets in einem nachvollziehbaren Verhältnis zu der narrativen Interaktion der Spielwelt mit unserer Spielfigur, sowie umgekehrt den Interaktionsmöglichkeiten unserer Spielfigur mit der Spielwelt befindet. Je weiter wir kommen, desto ehrfürchtiger reagieren andere Figuren auf die Präsenz unseres Helden und desto mehr verschiedene Fähigkeiten können wir erlernen, um bestimmte Hindernisse zu überwinden. Der Spieler muss das Gefühl haben, sich die ihm entgegengebrachte Anerkennung selbst verdient zu haben. Wenn ich also spielerisch noch nicht mehr geleistet habe, als auf „Neues Spiel“ zu klicken, mir aber direkt im ersten Dialog verklickert wird, dass meine Superkraft und ich die letzte Hoffnung der Welt sind, das drohende Übel abzuwenden, dann sage ich grundsätzlich erstmal: „Houston, wir haben ein Problem!“

Eine derartige Erzählung kann nicht richtig funktionieren, wenn sowohl der weltbedrohende Konflikt (Antagonist), als auch die konfliktlösende Superkraft (Protagonist) gleich von Beginn an als solche etabliert sind. Wir haben entweder einen renommierten Helden, dessen Gegenspieler im Laufe des ersten Aktes eingeführt wird (z. B. in Superheldenfilmen), oder eine bereits bedrohte Welt, in der unser zunächst unscheinbarer Protagonist im Laufe des ersten Aktes durch irgendeine Fügung zur einzigen Person wird, die die Bedrohung besiegen kann (z. B. in Kriegsfilmen). Seltener, aber ebenfalls möglich, ist eine Kombination aus beiden Varianten 

(z. B. in „Der Herr der Ringe“).

Über das Schicksal von Gefangenen dürfen wir von
unserem Thron aus entscheiden. Wir triefen vor Macht!
Schon der Spieleinstieg von Dragon Age: Inquisition ist also meiner Meinung nach sehr ungünstig gewählt. Er ist maximal unpersönlich, was für die Entwickler den großen Vorteil hat, keine verschiedenen Varianten je nach Rassen- und Klassenwahl des Spielers erschaffen zu müssen. Mit einem richtigen Prolog vor der konfliktbeginnenden Explosion, in dem wir uns kurz in das bisherige Leben unseres Charakters einfinden können, bevor sich dieses für immer verändert, hätten sich jedoch einige der genannten Probleme beseitigen oder zumindest vermindern lassen. Es hätte nicht so variantenreich und aufwendig sein müssen wie in Dragon Age: Origins, aber so erfahren wir ohne selbstständige Recherche so gut wie nichts über unsere Hintergründe, werden aber doch an vielen Stellen im Spiel dazu befragt, was sich eigenartig anfühlt. Man könnte sagen: Wir fühlen uns als Spieler nicht informiert genug, um für diesen Charakter zu sprechen und in seinem Namen Entscheidungen zu treffen. Im Laufe des Spiels werden wir von unseren Begleitern oft darauf angesprochen, wie schwierig es sei, den Menschen in uns zu sehen und nicht das bloße Ideal des mächtigen und gottgesandten Inquisitors. Das wirkt dann schon fast selbstironisch, denn durch ihre Inszenierung bewirkt BioWare, dass auch wir Spieler unseren eigenen Charakter nie über dieses Ideal hinausgehend kennen lernen. Es ist der Mann oder die Frau mit der grünen Hand und sagt, was wir ihm/ihr befehlen, aber sich wirklich in seine/ihre Gedankenwelt hineinzuversetzen, das fällt schwer. Zumal wir nie wirklich sicher sind, wie viel von unserer Vergangenheit festgelegt ist und wie viel davon die Entwickler unserer eigenen Rollenspiel-Fantasie überlassen haben. Ein Prolog hätte diese Dinge aufgeklärt und unsere Identifikation mit der Spielfigur deutlich erhöht. Die Motivation des Spielers wäre dann nicht „Diese Welt hat Probleme und der Himmel schickt mich, um sie zu lösen“, sondern „Meine Welt ist in Gefahr und ich werde dafür kämpfen, sie zu retten“, wie das zum Beispiel in Origins sehr gut funktioniert hat.

Es ist mir abschließend sehr wichtig, anzumerken, dass ich Dragon Age: Inquisition insgesamt nicht für ein schlechtes Spiel halte. Ganz im Gegenteil, auch die Inszenierung funktioniert trotz der angesprochenen Probleme über weite Strecken hervorragend. Manche Szenen waren so episch, dass ich Tränen in den Augen hatte, trotz der so offensichtlichen Ausnutzung meiner Machtinstinkte. Dieser Artikel soll kein Gesamturteil über das Spiel vermitteln, sondern eine allgemeine Problematik der Videospieldramaturgie anhand eines Beispiels analysieren, bei dem sie mir sehr prägnant ins Auge sticht.

Zu Beginn des Spiels besiegen wir einen "Dämon des Hochmuts".
Leider nicht den, den uns BioWare in den Kopf setzt.
Videospiele sind eine Kunstform (ob und warum sie das sind ist eine ganz eigene Erörterung für einen anderen Tag), die aufgrund der immens hohen Produktionskosten besonders abhängig von positiver Resonanz der Fachpresse und Spielerschaft ist, um ein möglichst breites Publikum anzusprechen und finanziell rentabel zu sein. Während ein Film einem passiven Zuschauer eine Narrative vermittelt, schaffen Videospiele ein mehrdimensionales System, in dem der Spieler die Geschichte beeinflussen und damit aktiv erleben kann, mit dem zusätzlichen Anspruch, vom reinen Gameplay her auch noch Spaß zu machen. Es ist klar, dass der Spagat, diesen profitbedingten Mainstream-Anforderungen und gleichzeitig seiner eigenen künstlerischen Vision gerecht zu werden, unglaublich schwer ist. Blockbuster-Franchises wie Call of Duty oder Assassin’s Creed haben diesen Anspruch schon seit geraumer Zeit abgelegt, was nicht automatisch heißt, dass das keine hochwertigen Spielerfahrungen sein können. Aber Dragon Age ist ein mit reichhaltigen Hintergrundgeschichten gefülltes und mit viel Herzblut erdachtes Fantasy-Universum. Ich möchte, dass zukünftige Abenteuer in diesem Universum mit demselben Herzblut entstehen.

Daher mein Appell an BioWare und andere Entwickler: Gebt uns nicht von Anfang an die Macht, uns in eurer Welt aufzuführen wie ein Gott ohne wirkliche Konsequenzen. Nehmt die Welt Ernst, die ihr geschaffen habt, dann haben wir Spieler Spaß daran, uns ihre Anerkennung zu verdienen. Folgt nicht der Ubisoft-Formel mit tausend irrelevanten Nebenaufgaben und Sammelgegenständen, nur weil das bei Open-World-Spielen gerade im Trend ist. Packt nicht in jedes eurer Gebiete einen in der Story nicht mal erwähnten Drachen, nur weil der 13-jährige Horst findet, dass Drachen coole Bossgegner sind. Hört euch unser Feedback an, aber setzt nur das um, was ihr selber in eurem Spiel haben wollt. Wir Spieler werden immer etwas zu meckern haben, meistens sogar berechtigterweise, aber letztendlich kennen wir die Formel für ein perfektes Spiel erst recht nicht. Nur eine Sache darf dabei garantiert nicht fehlen: das Herzblut eines ambitionierten Teams mit einem gemeinsamen Ziel. Ihr seid die Künstler, es ist euer Spiel, eure Vision. Ich als Spieler bin nur dankbar, daran teilhaben zu dürfen.


Hier geht's zu Teil 2 der Analyse.

Freitag, 28. November 2014

Ruhet in Frieden - A Walk Among the Tombstones: Ein Krimi zum geneeson? (Kurzfazit)

Schon beeindruckend, wie man es schafft, einen ganzen 114-minütigen Film lang ohne einen einzigen richtigen Plot Twist auszukommen. Leider ist es daher kein sonderlich guter Film geworden. Aufgrund des völligen Verzichts auf jegliche Charakterentwicklung innerhalb des gezeigten Plots (zwischen Prolog und erstem Akt gibt es einen Zeitsprung, in dem was passiert), entwickle ich als Zuschauer nicht genug emotionales Interesse für die Charaktere, um mich in den teilweise sehr in die Länge gezogenen Suspense-Momenten nicht zu langweilen.

Der Film fängt sehr vielversprechend an, gibt aber leider vor, mehr zu sein, als er in Wirklichkeit ist. Von den eigentlich interessanten Leitmotiven wie Selbstjustiz und Rache wird letztendlich keins so richtig in Angriff genommen. Wer sich dafür interessiert, der guckt lieber "The Equalizer". "A Walk Among the Tombstones" ist ein Krimi ohne wirkliche Aussage. Ein Film, der sich nicht traut, zu den kontroversen Themen, die er aufwirft, wirklich Stellung zu nehmen. Die einzige Frage, die dieser Film stellt, ist an sich selbst: "Schafft der Held es am Ende oder nicht?" Und sogar diese Frage wird nur sehr ambivalent beantwortet.

Liam Neesons Figur ließe sich problemlos ausschneiden und in "Non-Stop" oder die "Taken"-Reihe einfügen. Ist einfach die selbe Person. Wer eben genannte Filme noch nicht kennt und Bock hat, ein wenig Entführungs-Action zu geneeson (HAHA!), der sollte sich lieber diese Filme zu Gemüte führen. Meine Empfehlung: Bei der momentanen Fülle an hochkarätigen Kino-Blockbustern kann man "A Walk Among the Tombstones" guten Gewissens erstmal links liegen lassen. Vielleicht nächstes Jahr auf Bluray dann mal einen Blick wert.

Dienstag, 11. November 2014

Interstellar - "Inception für Physiker" oder "Nolans Mindfuck-Meisterwerk" (Kurzfazit)

Was "Inception" für die Psychologie ist, ist "Interstellar" für die Physik. Ein weiteres Mindfuck-Meisterwerk von Christopher Nolan, das Emotionen und Wissenschaft zu einer spannenden Geschichte vereint und es dabei schafft, trotz des hochkomplexen und auf physikalischen Gesetzen beruhenden Plots eine packende Handlung auch für die Nicht-Wissenschaftler unter uns (wie mich) zu schaffen.

Wie schon in Inception gelingt es auch bei Interstellar, die filmeigene Logik anhand von existierenden Gesetzmäßigkeiten und Theorien authentisch wirken zu lassen. Umso spannender, dass sich hierbei an eine Thematik gewagt wird, die so viel bis heute Unerforschtes beinhaltet. Der Film verbildlicht dieses Unerforschte auf eine einzigartige Weise, die ich so noch nicht gesehen habe, und schafft es, mir anhand dieser Bilder Dinge verständlich zu machen, die ich auf dem Papier im Leben nicht kapiert hätte. Natürlich wird auch in Interstellar vermutlich an manchen Stellen zugunsten der Dramaturgie auf wissenschaftliche Genauigkeit verzichtet, meinen Nachforschungen zufolge ist der Film an den meisten Stellen jedoch überdurchschnittlich akkurat.

Schade nur, dass Nolan so ein Gegner von 3D-Technik ist. Gravity hatte ja im letzten Jahr gezeigt, wie eindrucksvoll das gerade in Weltraumszenen sein kann. Und auch Interstellar ist vollgestopft mit beeindruckenden Bildern, die sicher gerade in 3D nochmal krasser gewirkt hätten, aber natürlich auch in der zweiten Dimension schon für einige "oooohs" und "aaaahs" sorgen. In jedem Fall kann ich den Film uneingeschränkt empfehlen. Wer sich für utopische Zukunftsszenarien, das Universum oder Matthew McConaughey interessiert, der hat einen potenziellen Lieblingsfilm vor sich... aber auch jeder andere wird sich trotz der langen Spielzeit von 169 Minuten jederzeit bestens unterhalten fühlen.

Sonntag, 5. Oktober 2014

Orcs abmetzeln und irgendwas mit Sauron - Mittelerde: Mordors Schatten (Kurzfazit)

So, 100% Completion nach drei Tagen. Weil mich echt viele mittlerweile drauf angesprochen haben, hier mein offizielles Kurzfazit zu Mittelerde: Mordors Schatten.

Story: Blablabla, Orcs abmetzeln und irgendwas mit Sauron. Gollum!

Gameplay: Alles geklaut von Assassin's Creed und der Batman-Arkham-Reihe, macht aber höllischen Spaß auch oder vielleicht sogar besonders in diesem Szenario. Einzige Besonderheit ist das Nemesis-System, was ich allerdings verdammt geil fand. Ist schon ein mulmiges Gefühl, wenn der eigentlich aus dem Generator stammende KI-Uruk sich auf einmal ganz genau an unsere letzte Begegnung erinnert, oder wenn ich ihn schon mal umgelegt habe auf einmal mit neuen Narben überzogen wieder auf der Matte steht. Dass man sich später im Spiel aktiv an den Machtkämpfen in der Uruk-Armee beteiligen kann ist grundsätzlich auch sehr geil, allerdings fehlte mir da letztendlich der spürbare Vorteil im eigentlichen Gameplay, abgesehen davon dass man es ein paar mal machen muss um mit der Story voranzukommen. Gutes Fundament, kann man in den Nachfolgern bestimmt noch ziemlich geil weiter ausbauen.

Grafik: Ist auf keinen Fall hässlich, aber jetzt nicht die Mega-NextGen-Offenbarung. Das ein oder andere hübsche Panorama gibt es allerdings zu bestaunen und die Lichteffekte sind teilweise schon beeindruckend. Außerdem gibt es ein riesiges Repertoire an richtig guten und vor allem schön brutalen Kampfanimationen.

Atmosphäre: Hat mich ehrlich gesagt ziemlich enttäuscht. So richtig Herr-der-Ringe-Feeling kam bei mir jedenfalls nicht auf. Da man sich während des gesamten Spiels in und um Mordor aufhält, gibt es nicht viel von der sagenhaften Welt aus den Filmen und Büchern zu sehen und vor allem auch der Soundtrack hat mich echt enttäuscht, da ich so gut wie keine Motive aus den Film-Soundtracks wiedererkannt habe. Vielleicht gab es da irgendwelche rechtlichen Probleme, aber als Herr-der-Ringe-Fanatiker hatte ich mich gerade auf die Musik gefreut. Klar, durch die Lizenz wird sich das Game vermutlich besser verkaufen, aber ansonsten hätten sie das Game genauso gut in irgendein anderes Fantasy-Setting setzen können. Schade!

Schwierigkeit/Umfang: Hatte eigentlich nach AC-Manier einen eher geringen Schwierigkeitsgrad erwartet, aber am Anfang kriegt man erstmal gut auf's Maul. Umso motivierender ist es dann, wenn man am Ende als Überkrieger durch die Uruk-Reihen mäht. Dieses Hochgefühl haben die Entwickler auch echt gut hinbekommen. Vom Umfang her ist es auch mit den AC-Teilen vergleichbar mit vielen Nebenmissionen und Collectibles.

Fazit: Trotz meiner Beschwerden hatte ich mit dem Game so viel Spaß wie schon lange nicht mehr und es war die ganze Zeit motivierend. Es ist vor allem dieses Gefühl des ständigen stärker Werdens und die echt cool in Szene gesetzten Fähigkeiten, die für einen gewissen Suchtfaktor sorgen. Wer ein mystisches, tiefgehendes und fantastisches Tolkien-Abenteuer erwartet, der wird bei dem Spiel vermutlich enttäuscht sein. Wer aber Bock hat auf "Gehirn aus, Schwert in Uruk", der kann eigentlich nichts falsch machen und wird garantiert seinen Spaß haben.

Donnerstag, 17. April 2014

Warum das Ende von "How I Met Your Mother" eigentlich doch ziemlich genial ist...



[Dieser Artikel enthält massive Spoiler zum Ende von „How I Met Your Mother“. Er richtet sich an jene, die die letzten beiden Episoden von Staffel 9 schon gesehen haben. Für alle anderen gilt: Weiterlesen auf eigene Gefahr!]


Und dann war es auf einmal vorbei. „How I Met Your Mother“, die Serie, die meine Generation mit ihren originellen Ideen, witzigen Catchphrases und bittersüßen Lebensweisheiten beeinflusst hat wie wohl keine andere. Nachdem die Credits gerollt sind direkt einzupennen, das ging nicht. Zu viele Erinnerungen, zu viele Gedanken an das überraschende Ende, das so überraschend eigentlich gar nicht war – zumindest nicht für mich.

„ICH WUSSTE ES!“ Damit hätte ich diesen Text am liebsten begonnen, denn tatsächlich habe ich das umstrittene Ende vor exakt einem Jahr fast haargenau so vorhergesagt, wie es letztendlich geschehen ist. Jeder, der mit mir schon einmal über die Serie gesprochen hat, wird bestätigen, dass ich mich nie davon habe abbringen lassen, dass Ted und Robin am Ende zusammen kommen würden. Auch wenn es mit Fortschreiten der Serie immer klarer wurde, dass Robin niemals die Mutter sein kann. Doch so viele Indizien auch dagegen sprachen, es gar unmöglich machten, so glaubte ich immer daran, dass es eine Hintertür geben würde, die aus „Aunt Robin“ doch noch die weibliche Hauptperson machen würde, um die sich vermeintlich die ganze Serie drehte.

Wir sehen zum ersten Mal das
Gesicht der "Mutter". (S8E24)
Als wir am Ende der 8. Staffel schließlich zum ersten Mal das Gesicht der „Mutter“ sahen und es sich um eine komplett neue, noch nie zuvor gezeigte Person handelte, war meine Enttäuschung groß. Klar, ich hatte es befürchtet, aber dennoch war ich entrüstet. Die spannende Schnitzeljagd nach Andeutungen und Indizien zur Identität der zukünftigen Mrs. Mosby – vollkommen belanglos, angesichts der Tatsache, dass es sich letztendlich um eine neu eingeführte Figur handelte.

In meiner Enttäuschung kam mir ein zuerst absurd anmutender Gedanke, den weder meine Diskussionspartner noch ich je in Betracht gezogen hatten. Was, wenn die Mutter und die Frau, mit der Ted letztlich zusammen alt wird, zwei verschiedene Personen sind? Der Gedanke war schnell weiter gesponnen. Was, wenn die Mutter zu dem Zeitpunkt, als Ted seinen Kindern die Geschichte erzählt, gar nicht mehr lebt? Und weiter: Was, wenn Robin am Ende zwar nicht die Mutter, aber trotzdem Teds finale Geliebte ist? Das alles schien plötzlich auf eigenartige Weise logisch.

Wird es in echt nie geben: Robins imaginäre Kinder
in der Folge "Symphony of Illumination" (S7E12)
Ich ging sogar so weit, in Erwägung zu ziehen, ob die beiden Kinder vielleicht gar nicht Teds leibliche Kinder sind und „How I Met Your Mother“ in Wahrheit die Geschichte ist, wie Ted und Robin ihre todkranke Mutter kennenlernten und sich dann zur Adoption entschlossen. Ich weiß, das klingt erstmal absurd, aber wenn man genauer drüber nachdenkt, würde das perfekt mit dem Plotpunkt zusammen passen, dass Robin keine eigenen Kinder haben kann – ein Punkt, der außer einer geschickt inszenierten, emotionalen Folge keinerlei weitere dramaturgischen Auswirkungen auf die Serie hatte. Wie dem auch sei, die Adoptionsgeschichte war der Teil meiner Vorhersage, der nicht wahr werden sollte.

Das Ende ist deshalb so überraschend, weil es zu einem Zeitpunkt kommt, an dem man der Serie keinerlei überraschende Wendungen mehr zugetraut hätte. Alles schien wie erwartet seinen Lauf zu nehmen. Die Prämisse, eine gesamte Staffel lang ein einzelnes Hochzeitswochenende zu erzählen (zwar mit einer gehörigen Portion Flashbacks, die jedoch selten Relevanz für den Hauptplot hatten), hatte uns eingelullt und wir warteten nur darauf, wie alles völlig entspannt zu einem Happy End für alle dahinplätschern würde.

Es wirkte also sehr befremdlich, als nach 22 Folgen, die sich gerade mal über ein Wochenende hinweg zogen, auf einmal im Minutentakt Jahre vergingen – und alles, auf das in besagten 22 Folgen hingearbeitet wurde, innerhalb von zwei, drei Szenen komplett annuliert wurde. Es passte einfach nicht zusammen, man fühlte sich als Zuschauer betrogen.

Glücklich für immer? Nope! (S9E22)
Ich hätte erwartet, dass Barney und Robin die Hochzeit nicht durchziehen. Als sie sich in Folge 22 der 9. Staffel jedoch endgültig das Ja-Wort gaben, war für mich jegliche Hoffnung auf ein Ted-und-Robin-Ende gestorben. Warum? In der Erzählstruktur von Filmen gibt es ein ungeschriebenes Gesetz, dass eine Hochzeit etwas Endgültiges ist. Wie viele Szenen kennen wir, wo der Held in letzter Sekunde die Zeremonie stürmt und die Braut daran hindert, den „falschen Geliebten“ zum Mann zu nehmen. Das ist diese filmische Dramatik, die komplett ignoriert, dass die Braut sich theoretisch auch einfach am nächsten Tag wieder scheiden lassen könnte. Diese Möglichkeit wird im Film so gut wie nie in Betracht gezogen. „How I Met Your Mother“ bricht also mit dieser Erwartungshaltung und liefert damit ein ungewohnt bodenständiges und realistisches Portrait der Wirklichkeit, das uns zeigt, dass die vermeintlich perfekte Liebe auch im Film zum Scheitern verurteilt sein kann.

Barney findet am Ende doch noch
die Liebe seines Lebens. (S9E24)
Die Scheidung von Robin bedeutet für Barneys Charakter ein „Full Reset“. Er ist plötzlich wieder genau wie wir ihn aus den ersten Staffeln kennen und lieben gelernt haben. Die Entwicklung von Barneys Charakter war schon lange zu einem der wichtigsten Handlungsfäden geworden, zeitweise sogar wichtiger als die gerade um Staffel 7 herum sehr in den Hintergrund gerückte Suche nach der Mutter. Wie eigenartig also, gerade diesen Faden, der so viel Zeit und Finesse erforderte, am Ende komplett zu egalisieren. Dass Barney uns am Ende mit einer „Ich bin wie ich bin“-Attitüde abfertigt, dafür zog sich die ganze Veränderungsgeschichte deutlich zu lange hin. Schlussendlich wirkt das Ganze eher ziemlich an den Haaren herbeigezogen, als ein für uns gesichts- und namenloser One Night Stand Barney zum Vater macht – und er sich scheinbar schon wieder beginnt, zu verändern. Wie das wohl ausgeht? Für mich eher ein verzweifelter Versuch, dem faden Beigeschmack der getroffenen Entscheidungen doch noch etwas Würze zu verleihen. Hat bei mir aber nicht funktioniert.

Marshall und Lily bleiben weiterhin die einzige richtige Konstante, haben es allerdings nach ihrem Umzug nach Italien zunehmend schwer, die Gruppe zusammen zu halten. Robin ist inzwischen sehr erfolgreich als Fernseh-Reporterin und ständig unterwegs. Sie hat eingesehen, dass Ted der Richtige für sie gewesen wäre und distanziert sich von der Gruppe, in der sie sich nun fehl am Platze fühlt. Moment mal, das ist aber kein Happy End. Da kommt doch noch was, oder?
Das können die doch nicht bringen!
Oder etwa doch? (S9E24)

Richtig, denn fast in einem Nebensatz erwähnt der ältere Ted-Offsprecher auf einmal, dass die Mutter krank wurde – zunächst ohne weitere Ausführungen. Konnte es wirklich sein, dass es doch noch zu diesem finalen Plot-Twist kommen würde? „And that, kids, is how I met your mother“, schließt Ted, den wir nun zum ersten Mal in gealterter Form in der als Rahmenhandlung fungierenden Gegenwart sehen, seine insgesamt 208 Folgen lange Erzählung ab.

Aber was ist denn jetzt mit der Mutter? Wie wir im folgenden Dialog mit den Kindern, die das Ganze den Umständen entsprechend erstaunlich entspannt, ja zeitweise sogar gelangweilt auffassen, erfahren, ist sie tatsächlich vor nunmehr 6 Jahren gestorben. Diese Tatsache hat natürlich immense Auswirkungen auf die Art und Weise, wie wir die gesamte Geschichte betrachten - und wie wir bestimmte Situationen beurteilt hätten, wenn wir gewusst hätten, dass es sich bei der Mutter um eine verstorbene Person handelt. Einer dieser Momente, der mir besonders im Gedächtnis geblieben ist, ist in der Folge "Time Travelers" am Ende der 8. Staffel:

Ted stellt sich vor, die Mutter schon
 45 Tage eher zu treffen. (S8E20)




"Hi. I'm Ted Mosby. In exactly forty-five days from now, you and I are gonna meet. And we're gonna fall in love. And we're gonna get married, and... we're gonna have two kids. And we're gonna love them and each other so much. All of that is forty-five days away. But I'm here now, I guess, because I want those extra forty-five days. With you, I want each one of them. And if I can't have them, I'll take the forty-five seconds it takes before your boyfriend shows up and punches me in my face. Because... I love you. I'm always gonna love you. 'Til the end of my days, and beyond."

Als ich die Szene das erste Mal gesehen habe hielt ich sie für übertrieben, beinahe unpassend kitschig. Doch wenn man um das schicksalhafte Ende weiß und sie noch einmal betrachtet, dann sorgt das schon für ein heftiges Gefühl. Darum waren ihm diese 45 Tage also so wichtig...

Interessant ist nun auch die Episode "How Your Mother Met Me", in der wir erfahren, dass die Mutter noch an einem verstorbenen Geliebten hängt, aber Zeuge werden, wie sie sich schweren Herzens von ihm lossagt und endgültig verabschiedet. Warum ist das wichtig? Damit wir es am Ende nicht schlimm finden, dass Ted nach dem Tod der Mutter wieder Robins Nähe sucht. Denn die Mutter selber hatte und hätte das gleiche getan.

Am Ende der Episode "Vesuvius" bittet die Mutter Ted in der in einem Restaurant stattfindenden Rahmenhandlung, nicht immer in der Vergangenheit zu leben, sondern nach vorne zu schauen. Als Ted ihr von Robins Mutter und ihrem spontanen Erscheinen auf der Hochzeit erzählt, kommentiert sie: "What mother is going to miss her daughter’s wedding?" Ted hat auf einmal Tränen in den Augen und sie wechselt schnell das Thema. Eine weitere Szene, die sehr befremdlich wirkte und darauf hindeutete, dass am Ende vielleicht doch alles anders kommen könnte als gedacht.

Ted und Robin in der letzten Szene der Serie. (S9E24)
Von seinen Kindern ermutigt fährt Ted in der finalen Szene zu Robins Apartment – mitsamt dem blauen Horn, das er ganz am Anfang der Geschichte schon mal für sie geklaut hatte und das über die ganze Geschichte hinweg ein wiederkehrendes Motiv für die Beiden darstellte. Mit den vielsagenden, zu Tränen gerührten Blicken der Beiden und dem sehr passenden Lied „Heaven“ von der Band "The Walkmen" endet schließlich die Serie.

Sieht endgültig aus, ist es aber nicht.
  Ted lässt los, Robin schwebt davon.
  Eine höchst eigenartige Szene. (S9E17)
Ein Ende, welches ich, wenn man die gesamte Handlung der Serie betrachtet, für sehr passend halte. Wie am Anfang erwähnt, hätte ich es persönlich genauso oder fast genauso erwartet. Aber dann kam ja diese hochgradig eigenartige 9. Staffel. Hat man die in ihren ersten 22 Episoden geschaut und bekommt die finale Doppelfolge vorgesetzt, kommt es einem fast so vor, als wäre das Ende eine spontane Idee gewesen – oder gar von jemand anderem geschrieben worden. Warum 22 Folgen lang nahezu nichts Relevantes passieren lassen und dann so viel entscheidende Veränderungen in die letzten beiden Folgen quetschen? Hatten die Macher Angst davor, ihre Geschichte nicht logisch bis ins Details zu Ende erzählen zu können und verzichteten deswegen bewusst auf jegliche Details?

Laut Aussagen der Serien-Schöpfer Craig Thomas und Carter Bays war alles von Anfang an so geplant. Die Darsteller der „Kinder“, Lyndsy Fonseca und David Henrie, bestätigten dies und verrieten, dass ihre Repliken des finalen Dialoges mit Ted schon während der ersten Staffel im Jahre 2005 gedreht wurden, um sicherzustellen, dass sie die gesamte Serie über gleichalt aussehen.* Bei so langer Planungszeit werden sich die Macher also schon etwas dabei gedacht haben. Und ja, nachdem ich ein wenig darüber nachgedacht hatte, fiel mir der geniale Kniff auf, der ein ganz anderes Licht auf die Sache wirft:

Die Perspektive der Kinder ist die gleiche wie die des Zuschauers.
„Let’s look at the facts here. You made us sit down and listen to the story of how you met mom, yet mom is hardly in the story. No, this is the story of how you’re totally in love with aunt Robin. And you’re thinking about asking her out and you wanna know if we’re okay with it.“

An dieser Stelle spricht Teds Tochter genau das aus, was wir als Zuschauer auch denken. Die Kinder fühlen sich genauso an der Nase herum geführt wie wir. ABER: Dass Ted die Wahrheit verdreht, um nicht kindgerechte Inhalte seiner Erzählung zu verbergen, das ist während der gesamten Serie schon oft vorgekommen. Und auch wir wurden dann Zeuge dieser veränderten Realität, was oft für viel Humor sorgte. Das bedeutet: In „How I Met Your Mother“ sind wir als Zuschauer schon immer gleichgesetzt mit den Kindern. Wir bekommen dieselbe von Ted veränderte Realität erzählt und sind genau wie sie Sklaven von Teds Perspektive.

Wenn Ted also seine Kinder ein wenig austrickst, um sie unter dem Vorwand der Mutter-Kennenlern-Geschichte dazu zu bringen, zu akzeptieren, dass er 6 Jahre nach dem Tod ihrer Mutter nun mit Robin zusammen sein möchte, dann trickst er in dem Moment auch uns als Zuschauer aus. Und genau das ist hier 9 Staffeln lang passiert. Es war nie „The story of how I met your mother“, das war immer nur ein Vorwand für die eigentliche Geschichte „Please let me be with Robin“.

Rückblickend ergibt nun so vieles Sinn, was wir vorher als dramaturgische Schwäche gesehen haben. Warum holt Ted so unglaublich weit aus, obwohl am Ende nichts davon relevant für das Treffen mit der Mutter ist? Warum hatte man irgendwann in der Serie das Gefühl, dass es außer dem Seriennamen gar nicht mehr so richtig um die Mutter ging? Richtig! Weil es eben NIE um die Mutter ging, sondern um Robin. Das ist auch der Grund, warum er seinen Kindern von so gut wie jeder seiner Liebschaften erzählt. Damit es nicht so auffällig ist, um was es ihm wirklich geht. Es gibt jedoch einen entscheidenden Punkt, mit dem er sich eigentlich schon verrät.

Einer dieser Momente, wo es einfach klar ist... (S8E23)
Die Serie – und damit Teds Erzählung – BEGINNT mit Robin. Ted trifft sie in der ersten Folge und wenn man sich die Inszenierung dieses Treffens heutzutage noch einmal anschaut, ist es fast unmöglich, nicht zu glauben, dass sie am Ende diejenige ist, mit der Ted glücklich wird. Man könnte jetzt trocken argumentieren, dass es bei Sitcoms einfach üblich ist, in der Pilotfolge alle Hauptcharaktere vorzustellen und der Anfang daher zeitlich so gesetzt ist. Wenn man diese Argumentation außen vor lässt, beginnt und endet „How I Met Your Mother“ mit Robin und ist daher ganz grob zusammen gefasst die sehr weit umspannte Liebesgeschichte von Ted und Robin, die viel abschweift, jedoch in bestimmten Szenen immer wieder daran erinnert, was sie eigentlich erzählen will.

Nachdem ich mir all diese Dinge noch einmal durch den Kopf habe gehen lassen, muss ich also sagen, dass ich das Ende und vor allem die damit verbundenen kleinen Andeutungen, die sich die ganze Serie über finden lassen, schon für einen kleinen Geniestreich halte. Dass es nicht jedem gefallen würde, das war zu erwarten - aber mal ehrlich, das wäre doch auch langweilig, oder? Ich bin jedenfalls froh, dass es nach einer eher unspektakulären 9. Staffel doch noch mal kontrovers wurde. Dass ein gelungenes Finale am Ende einer langjährig erfolgreichen Serie nicht selbstverständlich ist, das wissen wir ja spätestens seit dem haaresträubenden Abschluss von Dexter.

*http://www.people.com/people/article/0,,20801686,00.html

    Freitag, 15. November 2013

    Die Battlefield-4-Kampagne kann gar nichts! Was kann Call of Duty: Ghosts?

    Jetzt hab ich als alter Battlefield-Verfechter doch tatsächlich mal die Kampagne von CoD: Ghosts durchgezockt, weil ich von der BF4-Story so enttäuscht war. Für alle, die es interessiert, mein Urteil:

    Gleich am Anfang 5-mal gestorben, bis die Schockstarre ausgesetzt hat. Also mal ganz ehrlich… die Waffen klingen wie Spielzeuge, das Handling ist weit davon entfernt, sich in irgendeiner Weise echt anzufühlen. Vor allem alle Waffen total unterschiedlich und unbalanced – die eine Waffe verzieht so heftig, dass man auf 6 Meter Entfernung kein Scheunentor mehr trifft, die andere liegt so fest in der Hand, als hätte ich sie an einer Mauer festmontiert. Und dann diese Granatenflugbahnen… man muss nicht Physik studiert haben, um zu sehen, dass das Quatsch ist. Also, ich muss schon sagen, wenn mir irgendjemand ernsthaft erzählen will, er habe sowohl CoD als auch Battlefield gespielt und findet CoD vom REINEN SPIELGEFÜHL besser, dann macht er sich entweder selbst was vor, oder hat vollkommen den Verstand verloren.

    Naja, am Anfang hätte ich am liebsten sofort wieder ausgemacht. Bevor die Story einkickt hat man das Gefühl es geht nur um diesen verdammten Hund, der mal locker der intelligenteste Hund der Weltgeschichte sein muss und ganze Camp-Infiltrationen einfach alleine durchzieht und Informationen beschafft. An der Stelle frage ich mich, spiele ich eigentlich diesen Hund oder spiele ich den Soldaten, der den Hund über irgendwelche Gerätschaften und Implantate so haargenau steuern kann? Ist mir nicht ganz klar geworden. Der Hund soll ja auch irgendwie süß sein, allerdings fällt mir das relativ schwer, ihn so zu sehen, wenn ich gleichzeitig sehe, wie er gegnerische Soldaten auf brutalste Art und Weise hinrichtet. Schwierige Sache an der Stelle: bei den Soldaten weiß ich, dass sie einem moralischen Code folgen, nach dem die anderen die Bösen sind und sie die deshalb bekämpfen, aber der Hund weiß sowas nicht. Der tötet einfach, weil ihm die pure Mordlust antrainiert wurde. Weiß also nicht, ob das so ein geeigneter Schoßhund wäre. Davon abgesehen, ist diese Gameplay-Mechanik auch etwas undurchdacht, da der Hund komplett unverwundbar ist, du ihn aber beliebig oft den Gegnern auf den Hals hetzen kannst. Die können dann nichts machen und werden einfach auf der Stelle zerfleischt. Theoretisch könntest du die ganze Zeit in Deckung bleiben und den Hund die Arbeit erledigen lassen, wenn du geduldig bist. Naja, sei’s drum.

    Wenn die Story dann richtig einkickt ist der Hund auch für den Großteil des Spiels weg. Inzwischen hatte ich mich an das Gameplay gewöhnt und kam zähneknirschend damit klar. Eine Mission noch, dann noch eine… Die gute Spannungskurve der einzelnen Missionen und die flüssigen Übergänge sind fesselnd, die Geschichte regt schon das Interesse an. Ich mein, es ist ein Call of Duty. Das ist Popcorn-Action, Unterhaltung ohne große gedankliche Leistung, einfach den Schlauchlevels folgen und ballern. Das ist so ein Punkt, der mich auch bei Filmen schon stört: Warum denken die Leute immer, dass Popcorn-Unterhaltung automatisch schlecht ist? Nur weil es keinen hohen Anspruch hat, kann es trotzdem gut gemacht sein. Iron Man 1 und 3 sind extrem unterhaltsame Filme, weil sie die Formel für ein Action-Spektakel handwerklich nahezu perfekt umsetzen. Ich kann auch das wertschätzen. Es muss nicht jeder Film ein Kunstwerk sein und das Rad neu erfinden. Manchmal ist stumpfe Unterhaltung trumpf!

    Das ist genau der Punkt, wo Dice mit Battlefield 4 den Fehler macht… Ihre Formel geht nicht auf, die Charaktere sind schwach, Motivationen nicht nachvollziehbar und die ganze Zeit will man mir mit epischer Musik Gefühle entlocken, die die dürftige Erzählung einfach nicht hergibt. Es ist mir einfach scheißegal, was mit den Leuten auf dem Bildschirm passiert, egal wie viele verdroschene Kindheitsgeschichten sie in völlig unpassenden Momenten zum Besten geben. Und das nachdem die Trailer richtig spannend waren und auf so viel hatten hoffen lassen. Die Story von Battlefield 3 hat mir sehr gut gefallen, eben weil sie nicht so war wie Call of Duty, sondern bodenständiger, realistischer. Mit Battlefield 4 versucht man nur wie Call of Duty zu sein… und vergisst dabei, dass die Stories der CoD-Teile zwar nie sonderlich außergewöhnlich sind, jedoch dennoch (meist) handwerklich gut gemacht und SIE FUNKTIONIEREN. Das ist eine Leistung, das kommt nicht, wenn man einfach nur irgendwas hinklatscht, so wie Dice das offensichtlich getan hat.

    Die Story von CoD: Ghosts ist rund. Sie hat eben einfach funktioniert und einen bei der Stange gehalten, wurde nie übertrieben aufdringlich emotional, sondern lieferte einfach eine gehörige Portion Action und Coolness. Der eigentliche Punkt, der mich letztendlich wirklich überzeugt hat, ist allerdings das Missionsdesign. Hier wird einfach alles aufgefahren, was man sich irgendwie an Vielfalt bei so einem Kriegsshooter einfallen lassen kann. Viele Sachen waren sogar neu für mich. Mit Underwater Rifle in 100 m Wassertiefe ballern oder als Astronaut eine Raumstation erobern, sowas habe ich bisher noch in keinem Shooter gemacht. Ich stelle hier auch nicht die Frage, ob das überzogen oder unrealistisch ist, denn es bockt einfach und sorgt für Abwechslung. Mir hat außerdem sehr gut gefallen, wie gut dieses Gefühl des bis an die Zähne bewaffneten Supersoldaten vermittelt wird. Jede Mission ist übersät mit irgendwelchen Specials, besonderen Waffen und Gadgets, die wir benutzen dürfen und uns richtig überlegen und cool fühlen dürfen. (Remote-Sniper, dunklen Raum stürmen mit Epilepsie-Strobos, etc…) Man darf die Wichtigkeit dieses Gefühls nicht unterschätzen, denn das Gefühl, was ich als Spieler beim Spielen habe, ist ausschlaggebend für meine Spielerfahrung. Und an dem Punkt, ich hab es ja schon gesagt, funktioniert Call of Duty einfach. Einfach ist dabei ein gutes Stichwort. Denn natürlich ist das Fahrverhalten der Panzer ein Witz gegen die aus Battlefield… und der Hubschrauber fliegt nur vorwärts, rückwärts, links, rechts, die Flughöhe wird von dem Spiel automatisch bestimmt. Wir sind hier also meilenweit von einer Simulation entfernt. Eine simple Ballerorgie ist es geworden, aber eine sehr unterhaltsame, die ich durchaus weiter empfehlen würde.

    Was den Multiplayer angeht, werde ich dennoch bei Battlefield bleiben. Denn da ist Gameplay und Spielgefühl das wichtigste, da es keine Story zu verkacken gibt. Mir persönlich sagt das Battlefield-Gefühl einfach mehr zu. Auf Seiten der Kampagne hat allerdings zumindest dieses Jahr Call of Duty um Längen gesiegt. Wenn also Dice weiterhin damit tönen will, in allen Belangen besser zu sein, dann sollten sie sich da bei Battlefield 5 wesentlich mehr Mühe geben. Ich werde mir auf jeden Fall reinziehen, wie die Geschichte um die „Ghosts“ weitergeht, so viel ist sicher. Und ich bete zu Gott, dass ich nicht nochmal mit den langweiligen Tombstone-Jungs rumlaufen muss.